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21.11.2011 | 13:58 | Agrarmärkte 

Getreidemärkte psychologisch und fundamental unter Druck geraten

Wien - Einige Zeit war es mit den Agrarrohstoffen an den internationalen Warenterminbörsen seitwärts gegangen.

Weizenmarkt
(c) proplanta
Vergangenen Donnerstag zogen jedoch niedrige Exportzahlen in den USA und in der EU eine durch Krisenangst bedingte allgemeine Schwäche der Rohstoffe inklusive Erdöl sowie ein breitflächiger Ausstieg von Fonds an der Chicago Board of Trade (CBOT) - ausgehend von einem Einbruch der Maisnotierungen - Weizen und Soja deutlich nach unten und ließ an der Pariser Euronext auch den europäischen Weizenfutures und die Rapsnotierung folgen.

Abgeschreckt auch von der Pleite des US-Wertpapierhändlers MF Global, der stark im unregulierten außerbörslichen Handel (Over-The-Counter, OTC) von Derivaten ohne die Sicherheit eines Clearinghauses engagiert war, ließ Fonds am Donnerstag an der CBOT zum Beispiel 25.000 Maiskontrakte - das entspricht 3,18 Mio. t Mais - verkaufen. Am Mittwoch waren es lediglich noch 5.000 Kontrakte oder 635.000 t gewesen.
 
Damit kam die Regulierung der Rohstoffmärkte, nämlich des außerbörslichen Handels mit Derivaten, wieder einmal in Diskussion. Dazu schreckt die Eurozonen-Schuldenkrise viele Investoren ab.


Fundamental drücken schwache Exportzahlen der USA und der EU

Fundamental kamen mickrige Exportzahlen für die USA und die EU hinzu, während die billigeren Schwarzmeerländer zurzeit Getreide auf den Weltmarkt werfen, was die Achse hält. Die Maisausfuhren aus den USA im November - einem ansonsten gewöhnlich starken Geschäftsmonat - fielen auf den niedrigsten Stand seit mehr als 20 Jahren. In der Woche bis 10.11. kamen die Vereinigten Staaten gerade einmal auf 208.900 t Maisexport, während der Markt 350.000 bis 600.000 t erhofft hatte. Ebenso blieben die Weizenausfuhren mit 334.600 t hinter den Erwartungen von 350.000 bis 450.000 t zurück. Auch im Inlandsabsatz wird der teure Mais verstärkt von billigen Futterweizen - den amerikanische Verarbeiter jüngst sogar aus Großbritannien heranschippern ließen - aus den Futterrationen verdrängt.
 
Rund läuft es für die Amerikaner zurzeit nur beim Sojabohnenexport zur Stillung des unersättlichen Proteinhungers der Chinesen. China allein nimmt mehr als 60 % des weltweiten Handelsvolumens von Sojabohnen auf. Diese Woche schlossen die Chinesen einen 500.000 t-Deal und das US-Landwirtschaftsministerium vermeldete Lieferungen von 420.000 t Sojabohnen nach China im laufenden Wirtschaftsjahr sowie 751.300 t wöchentlicher Sojaausfuhrzahlen.
 
Die EU-Kommission vergab nach eigenen Angaben in der Woche bis 15.11. auch nur Weizenexportlizenzen für 241.000 t, nachdem sie in der Vorwoche noch 502.000 t geschafft hat. Auch dabei wiegt die Konkurrenz der Schwarzmeerländer und der nun herannahenden Weizenernten auf der Südhalbkugel. Frankreich verlor am Mittwoch eine Ausschreibung seines "Stammkunden " Algerien für 400.000 bis 500.000 t Weizen, die nun gerüchteweise aus Südamerika geliefert werden sollen. So will Australien in der beginnenden Weizenernte 2011/12 mit 27,9 Mio. t Weizen um 28 % mehr einfahren als im Vorjahr. Gedämpfter sind dagegen die Aussichten für Argentinien, wo das Landwirtschaftsministerium die Ertragsschätzung dieser Tage von zuletzt 12,6 Mio. t auf 12 Mio. t zurücknahm. Das wären 24 % weniger Weizen als 2010/11.
 
Die hohen Maispreise in den USA und die eigene große Ernte lassen die Union dagegen 2011/12 ungewöhnlich stark ins Maisexportbusiness einsteigen - Exportlizenzen für 87.000 t waren es in der abgelaufenen Berichtswoche.
 
 
In der Ukraine zeichnen sich gravierende Ertragseinbußen bei Wintergetreide ab

 
Ob es für die Schwarzmeerländer auch aus der Ernte 2012 wie geschmiert für den Export laufen wird, bleibt wegen des hohen Wetter- und Ertragsrisikos dieser Region dahingestellt. Der ukrainische Landwirtschaftsminister Nikolai Prisjashnjuk befürchtet zum Beispiel, dass das in seinem Land zur Ernte 2012 ausgesäte Wintergetreide auf einem Viertel der gesamten Anbaufläche verloren gehen wird. Vor Journalisten in Kiew führte er letzten Mittwoch die drohenden Ernteausfälle auf Herbsttrockenheit und weitere bislang ungünstige Witterungsverhältnisse zurück. Infolgedessen könnten die Getreidebestände auf rund 2 von insgesamt etwa 8 Mio. ha schon jetzt abgeschrieben werden. Auf weiteren 1,8 Mio. ha seien die Bestände als schwach zu bewerten.
 
 
Russland: Getreide-Exporthafen Noworossijsk erneut überlastet
 
Die russische Eisenbahnengesellschaft RZD hat am Dienstag erneut einen Versandstopp für Getreide in Richtung des Exporthafens Noworossijsk verhängt. Vorerst bis Samstag letzter Woche wurden keine Aufträge angenommen, weil eine der beiden dort tätigen Umschlaggesellschaften die Entladung von Waggons derzeit nicht gewährleisten kann, teilte RZD mit. Die Ursache für den Stau ist diesmal der Ausfall eines Schiffes. Eine derartige mehrtägige Versandsperre wurde schon im August dieses Jahres wegen Überlastung des Schwarzmeerhafens verhängt.
 
 
Russland plant Intervention von bis zu 1,5 Mio. t Getreide mit Rückkaufoption
 
Die russische Regierung hat mit einer letzten Montag von Ministerpräsident Wladimir Putin unterzeichneten Verordnung den Weg für die sogenannten Pfandankäufe von Getreide in dieser Saison frei gemacht. Das von Produzenten an den nationalen Interventionsfonds veräußerte Getreide aus der Ernte 2011 darf im Zeitraum Jänner bis Mai kommenden Jahres zurückgekauft werden, und zwar zum Verkaufspreis abzüglich Lagerungskosten. Putins erster Stellvertreter, Viktor Subkow, teilte mit, dass unter solchen Bedingungen 1,4 bis 1,5 Mio. t Getreide erworben werden könnten. Den Agrarproduzenten werde erstmals die Möglichkeit gewährt, die Ware bei eventuell höheren Marktpreisen zurückzukaufen, wobei sie darüber frei verfügen dürften, so Subkow.
 
 
Strategie Grains revidiert EU-Ernte rauf - Weizenbilanz knapp und Lagerabbau bei Mais

 
Die französische Analyse Strategie Grains revidierte letzte Woche die Erntezahlen der EU 2011/12 für Weizen gegenüber dem Oktober um 300.000 t auf 129,5 Mio. t beziehungsweise plus 2 % gegenüber 2010/11 und die von Mais um 1 Mio. t auf 64,4 Mio. t oder plus 16 % gegenüber dem Vorjahr nach oben. Die gesamte Getreideernte der EU schätzt der Bericht auf 284 Mio. t (Vormonat: 282,8 Mio. t, 2010/11: 273,1 Mio. t). In der Marktanalyse heißt es, Weizen sei 2011/12 weiterhin leicht überschüssig, aber nur sehr knapp, und die Versorgungslage differiere regional stark. Überschüsse im Südosten Europas würden die Weizenpreise im Nordwesten von starken Anstiegen abhalten, obwohl hier und speziell in Frankreich die Endlager sehr niedrig seien. Bei Mais sieht Strategie Grains trotz der riesigen Ernte aber wegen der hohen Wettbewerbsfähigkeit im Mischfutter und Export einen scharfen Bestandsabbau auf 4,15 Mio. t.
 
 
2012/13 mehr Getreideanbau in der EU und kleinere Ölsaatenfläche
 
Für 2012/13 prognostizieren die französischen Experten eine Ausdehnung des Getreideanbaus in Europa, wobei weitere 300.000 ha bisher nicht bestelltes Land unter den Pflug genommen werden sollen. Dabei soll die Weizenfläche nach guten Aussaatbedingungen auf 23,2 Mio. ha (2011/12: 23,1 Mio. ha) anwachsen und die von Mais weitgehend gleich bei 8,9 Mio. ha bleiben. Im Schrumpfen sieht die Analyse 2012/13 die Ölsaatenfläche in der EU, nämlich wegen der schlechten Bedingungen zur Aussaat, insbesondere in Deutschland, Dänemark, Rumänien und Bulgarien um 3 % auf 11,5 Mio. ha.
 
 
Österreich: Ruhiges Geschäft - Mahlroggen teurer als Premiumweizen
 
Die Abschlüsse mit Getreide am österreichischen Kassamarkt halten sich auf einem saisontypisch niedrigen Level, aber dennoch kontinuierlich in Gange. Qualitäts- und Mahlweizen konnten sich nach einigen Korrekturen in den zuvorgegangenen Wochen behaupten und die Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien registrierte am Mittwoch letzter Woche nach einiger Zeit Pause auch wieder Geschäfte mit Premiumweizen. Dieser - in Normaljahren ein Leitprodukt - bleibt 2011/12 wegen seines unterdurchschnittlich geringen Anteils in der Qualitätsstreuung ein Nischenprodukt. Der Premiumweizen machte mit seiner aktuellen Notierung von EUR 225,- pro t gegenüber seinem Letztauftritt am Wiener Kursblatt von Anfang November ebenfalls die leichten Preiskorrekturen nach unten mit.
 
Auch etwas niedriger als zuletzt notiert, aber vergleichsweise immer noch sehr stark - nämlich mit Preisen noch über denen für Premiumweizen -, kehrte Mahlroggen mit EUR 227,50 pro t auf das Wiener Kursblatt zurück. Mahlroggen entsprechender Qualität stellt in der laufenden Saison in Mitteleuropa nämlich eine Mangelware dar. Es heißt, manche Mühlen würden sich angesichts dessen sogar schon mit Roggen in Futterqualität zufriedengeben. Dies wiederum setzt den Mahlroggenpreisen einen gewissen Deckel auf.
 
Ebenfalls gehandelt wurden zuletzt wieder Sojabohnen aus österreichischem Anbau und Futtermais, der sich preislich knapp unter dem Industriemais etablierte. Der ab Raum Wien notierte Futtermais kann dabei bei Anlieferung ins Ethanolwerk Pischelsdorf gegenüber ebenfalls ab dem Raum Wien bewerteten Industriemais zur Anlieferung ins weiter entfernte Aschach einen Transportkostenvorteil lukrieren, der sich positiv auf den Preis auswirkt.
 
Zu Preisen über ihren letzten Notierungen von Mitte Oktober setzte der Handel zuletzt die Ölsaaten Raps mit einer Notierung von EUR 425,- pro t und Sonnenblume mit EUR 335,- pro t ab, wobei sich tendenziell in Europa zur kommenden Ernte 2012 eine Einschränkung der Anbauflächen abzeichnet. Nachdem Sonnenblumen zur Ernte etwas unter Druck geraten waren, habe sich nun wieder ein vernünftiger Preisabstand zum Raps etabliert und lasse den Markt wieder liquid werden, heißt es dazu im Handel. (BMLFUW/AIZ)

Notierungen der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien

Aktuelle Weizenpreise an der CBoT

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