Der Europäische Gerichtshof hat bei nationalen Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln die Unabhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten verdeutlicht. (c) proplanta
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag (25.4.) entschieden, dass die nationalen Genehmigungsbehörden vom Ergebnis der ersten Zulassungsprüfung für eine Zone abweichen dürfen. Das ist gemäß dem Urteil unter anderem möglich, wenn wissenschaftliche oder technische Daten vorliegen, die bei der Erstzulassung des Produkts nicht berücksichtigt wurden und die ein unannehmbares Risiko für Gesundheit und Umwelt aufzeigen.
Klargestellt haben die Luxemburger Richter ferner, dass zur Anfechtung einer nationalen Genehmigung die zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen oder technischen Daten geltend gemacht werden können, wenn damit eine unzureichende Begründung der Erstzulassung gezeigt werden kann. Das gilt auch im Hinblick auf endokrinschädliche Eigenschaften.
Die Urteile des EuGH gehen auf mehrere Vorabentscheidungsersuchen vom obersten Verwaltungsgericht der Niederlande zurück. Ausgangspunkt sind Verfahren, die das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europe gegen die staatliche Kommission für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden (CtgB) angestrengt hatte. Aus Sicht der Umweltschützer hat die Zulassungsbehörde mit der Zurückweisung von Einsprüchen gegen Genehmigungen gegen europäisches Recht verstoßen.
Wie dem Urteil zu entnehmen ist, steht die CtgB auf dem Standpunkt, dass eine Zulassung aus Gründen der Rechtssicherheit auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Regelungen zu prüfen sei. Entsprechende Leitlinien der Kommission sind aus Sicht der Behörde nur maßgeblich, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedet wurden. Angefochten hatte PAN Europe unter anderem die Ausweitung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „Closer“. Diese war im April 2015 beantragt und vier Jahre später unter Auflagen positiv beschieden worden. Die Nichtregierungsorganisation machte zudem geltend, dass bei der Erstzulassung des Produktes wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigt worden seien.
PAN Europe erwartet weitreichende Konsequenzen
PAN Europe bezeichnete die Urteile des EuGH als „bahnbrechend“. Der gängigen Praxis, alten Studien der Hersteller Vorrang gegenüber neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen einzuräumen, werde endlich ein Riegel vorgeschoben. Zudem werde klargestellt, dass jeder Mitgliedstaat für seine nationalen Zulassungen verantwortlich sei und sich nicht „blindlings“ auf die Bewertung anderer Staaten verlassen könne. Sichergestellt werden müsse, dass die aktuellsten relevanten Daten berücksichtigt werden.