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19.11.2023 | 10:19 | Glyphosat-Zulassung 

Glyphosat-Wiederzulassung: Erwartungsgemäß geteilte Ansichten

Brüssel - Nach der Ankündigung der Europäischen Kommission, die Zulassung von Glyphosat wie vorgeschlagen um zehn Jahre zu verlängern, haben Befürworter und Gegner des umstrittenen Herbizids ihre Positionen nochmals bekräftigt.

Glyphosat-Wiederzulassung
Während Agrarverbände auf die Bedeutung von Glyphosat hinweisen, halten die Umweltverbände an ihrer Kritik an dem Wirkstoff fest. In Deutschland sehen die Umweltschützer die Bundesregierung ungeachtet der Entscheidung auf EU-Ebene in der Pflicht, den Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat ab 2024 sicherzustellen. (c) proplanta
Vielfach wurde Kritik am Abstimmungsverhalten der Mitgliedstaaten laut. Auch die Kommission sah sich erwartungsgemäß der Kritik von Umweltverbänden ausgesetzt, nachdem sie eine Verlängerung der Zulassung bereits unmittelbar nach der Abstimmung am Donnerstag (16.11.) in Aussicht gestellt hatte.

Die wenigen Kommentare aus der Landwirtschaft brachten Erleichterung zum Ausdruck. Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) unterstrichen, dass es gegenwärtig keine gleichwertige Alternative zu diesem Herbizidwirkstoff gebe. Ohne Glyphosat seien viele bodenschonende landwirtschaftliche Praktiken sehr viel schwieriger umzusetzen. Dies könnte am Ende den Herbizidverbrauch sogar noch erhöhen.

Im Vorfeld der Abstimmung im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) hatte der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) die Bundesregierung erfolglos gedrängt, einer Verlängerung zuzustimmen. „Deutschland hat als agrarischer Gunststandort eine globale Mitverantwortung für die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln. Dieses Potenzial gilt es nachhaltig - auch mithilfe von Pflanzenschutzmitteln - auszuschöpfen“, so Verbandspräsident Hubertus Beringmeier.

Nachhaltigkeitsstrategien konterkariert

Derweil kritisierte der Präsident des Anbauverbandes Naturland, Hubert Heigl, die EU-Kommission scharf. Aus seiner Sicht werden mit der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung die Ziele der Brüsseler Nachhaltigkeitsstrategien konterkariert. Heigl forderte die Kommission auf, die Verlängerung durch ein „klares Ausstiegsszenario“ zu flankieren. Anderenfalls würde das Ziel einer Halbierung des Einsatzes gefährlicher Pflanzenschutzmittel „endgültig unglaubwürdig“.

„Gute Landwirtschaft braucht kein Glyphosat und auch keine anderen Totalherbizide“, so Heigl. Die Organisation Pesticide Action Network (PAN) Europe wertete die Abstimmung der Mitgliedstaaten als Ausdruck der wachsenden Bedenken hinsichtlich der Anwendung des Wirkstoffs. Der Geschäftsführer des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR), Florian Schöne, sprach mit Blick auf das Abstimmungsergebnis der EU-Länder von einer „klaren Botschaft an die EU-Kommission“ und meinte damit trotz der Mehrheit der Ja-Stimmen , die Zulassung nicht mehr zu erteilen. Schöne sieht zudem die Bundesregierung in der Pflicht, den Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat ab 2024 sicherzustellen.

NABU warnt vor Vertrauensverlust

Nach Einschätzung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) wird dieser Passus im Koalitionsvertrag mit der Entscheidung auf EU-Ebene allerdings kaum zu verwirklichen sein. „Für die Natur, aber auch das Vertrauen in die Politik wird dies erhebliche negative Konsequenzen haben“, warnte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Vor wenigen Jahren hätten Politiker fast aller Parteien versprochen, sich für eine Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln einzusetzen. Tatsächlich sei jedoch zu wenig geschehen.

Der Referent für Insektenschutz beim World Wide Fund for Nature (WWF), Florian Lauer, beklagte, dass die Kommission schnell Fakten geschaffen habe. „Entscheidend ist nun, wie die angekündigten Einschränkungen ausfallen und welchen Spielraum sie den Mitgliedsländern lassen.“ Die Bundesregierung muss Lauer zufolge nun „Wege finden“, den im Koalitionsvertrag verinbarten Glyphosat-Ausstieg „sinnvoll umzusetzen“. Kritik an der Bundesregierung übte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dessen Pflanzenschutzreferentin Corinna Hölzel erklärte, Deutschlands Enthaltung gehe auf das Konto der FDP, die nicht zum Koalitionsvertrag stehe. Der SPD warf Hölzel vor, bei dem wichtigen Thema zu schweigen.

Politik und Agrarbranche im Ausland erleichtert

Insgesamt positiv haben sich verantwortliche Politiker in den EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich zur nun zeitnah erwarteten Zulassungsverlängerung des Herbizidwirkstoff Glyphosat geäußert. Die Agrarbranchen in anderen Mitgliedstaaten reagierten ebenfalls erwartungsgemäß positiv. Auch in Australien fiel die Entscheidung auf Wohlwollen. Keine überraschenden Reaktionen hat die Entscheidung der EU-Kommission am Donnerstag (16.11.) in Frankreich hervorgerufen.

Der französische Bauernverband (FNSEA) begrüßte die Wiederzulassung und erklärte, die Brüsseler Behörde habe den fehlenden politischen Mut der Mitgliedstaaten ausgeglichen. An die Pariser Regierung richtete der FNSEA die Forderung, das Versprechen von Premierministerin Élisabeth Borne einzuhalten und im Pflanzenschutz keine nationalen Alleingänge mehr vorzunehmen. Ähnlich äußerte sich der kleinere Landwirtschaftsverband Coordination Rurale (CR). Die kleinbäuerlich orientierte Confédération Paysanne (Conf‘) bezeichnete die Vorgänge hingegen als „skandalös“ und die Wiederzulassung als „monumentalen Fehler“. Veränderungen in den landwirtschaftlichen Betrieben würden immer weiter hinausgeschoben, während finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von alternativen Bewirtschaftungsmodellen ausgebremst werde.

Wissenschaftliche Erkenntnisse schneller berücksichtigen

Nach Angaben von Landwirtschaftsminister Marc Fesneau hat sich Frankreich bei der Abstimmung vor allem aufgrund der Verlängerung um zehn Jahre enthalten. Ein kürzerer Zeitraum hätte es ermöglicht, neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller zu berücksichtigen, erklärte der Ressortchef. Frankreich sei keinesfalls gegen die Wiederzulassung. Sobald Alternativen zur Verfügung stünden, müsse der Einsatz des Herbizids aber verringert werden.

Zugleich betonte der Minister, dass es ohne Ausweichmöglichkeiten kein Verbot geben werde. Laut Fesneau hat Frankreich verschiedene Vorschläge über eine weitergehende Regulierung gemacht, die aber von der Kommission nicht aufgegriffen worden seien. Auch die spanischen Landwirtschaftsverbände begrüßten den Kommissionsbeschluss. Dieser sei für die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors in der EU unerlässlich, erklärte die Allianz für nachhaltige Landwirtschaft (ALAS) als Dachverband der großem Agrarverbände.

Ein altbewährtes Mittel

Die Verlängerung der Zulassung basiere auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, betonte ALAS. Glyphosat sei ein altbewährtes Mittel, dass die konservierende Landwirtschaft ermögliche und damit zum Klimaschutz beitrage. Seine Nutzung sei auch wegen klarer Anwendungsvorgaben sicher. Kritisch wertete ALAS erneut die Zulassungsdauer. Wie bereits bei der Zulassungsverlängerung im Jahr 2017 forderte sie einen Zulassungszeitraum von 15 Jahren.

Als eine „sehr positive Entwicklung für die irische und europäische Landwirtschaft“ wertete der irische Bauernverband (IFA) die Entscheidung der EU-Kommission, die Zulassung von Glyphosat unter bestimmten Bedingungen um weitere zehn Jahre zu verlängern. „Der Zugang zu glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ist für irische und EU-Landwirte, die Ackerbau betreiben, von entscheidender Bedeutung“, betonte der im IFA für Getreide zuständige Vorsitzende Kieran McEvoy.

Dies sei insbesondere auch vor dem Hintergrund relevant, wenn die Emissionen in der Landwirtschaft weiter verringert werden sollen. „Der verstärkte Einsatz von Zwischenfrüchten, der vermehrte Anbau von artenreichen Grasnarben im Grünlandsektor und Methoden mit reduzierter Bodenbearbeitung sind ohne glyphosathaltige Herbizide einfach nicht möglich“, unterstrich McEvoy.

Im Baukasten landwirtschaftlicher Praktiken

Auch im Berufsstand des Vereinigten Königreichs, das bekanntlich seit 2020 kein EU-Mitglied mehr ist, löste die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) Erleichterung aus. So erklärte der englische Bauernverband (NFU) im Anschluss, dass Großbritanniens Landwirte und Erzeuger Glyphosat weiterhin nach Bedarf einsetzten, „solange es sicher und legal ist“.

Verbandsvizepräsident David Exwood betonte, dass Glyphosat seit langem eines der wichtigsten Mittel zur Unkrautbekämpfung vor der Aussaat sei. Für Exwood ist das Herbizid aufgrund seiner Beliebtheit bei einer bodenschonenden, pfluglosen Bodenbearbeitung von „entscheidender Bedeutung“ im Baukasten landwirtschaftlicher Praktiken. Diese trügen nachweislich zum Klimaschutz bei und verringerten die Bodenerosion. Ziel der Landwirte sei es, eine ökologische Nachhaltigkeit und eine sichere Versorgung mit hochwertigen, erschwinglichen Lebensmitteln zu gewährleisten.

Australien erleichtert

In Australien begrüßte die Geschäftsführerin des Erzeugerverbandes GrainGrowers, Shona Gawel, die EU-Entscheidung zu Glyphosat. Ein Verbot wäre für die australischen Landwirte „eine schlechte Nachricht“ gewesen. Eine auslaufende Zulassung von Glyphosat in Europa hätte zu Handelsstörungen geführt, die den Zugang zum EU-Rapsmarkt verhindert und die Nachfrage nach Getreide und Hülsenfrüchten beeinträchtigt hätten.

Gawel wies darauf hin, dass die australische Aufsichtsbehörde für Pflanzenschutz und Veterinärmedizin (APVMA) Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft habe. Zuvor seien von der Behörde zahlreiche Studien und Datensätze zu diesem Pflanzenschutzmittel ausgewertet worden. „Man muss der Wissenschaft vertrauen“, so die Geschäftsführerin. Glyphosat habe es den Getreidefarmern ermöglicht, moderne Methoden der ressourcenschonenden und effizienteren Landwirtschaft wie die Direktsaat anzuwenden.
AgE
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