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21.04.2024 | 00:01 | Zukunftswald 

Die eigentlich verlorene Suche nach dem Wunderbaum

Gleichen - Eigentlich ist ihre Arbeit hoffnungslos, könnte manch einer sagen. «Den Wunderbaum gibt es nicht», da ist sich Stefan Lieven von Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (FVA) bereits sicher.

Klimawandel
Forstwissenschaftler untersuchen in Gleichen in der Nähe von Göttingen zahlreiche Baumarten. Sie hoffen, eine Art zu finden, die mit dem Klimawandel zurechtkommt. (c) proplanta
Trotzdem untersuchen Wissenschaftler der Versuchsanstalt an zehn Orten in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Sachsen-Anhalt Baumarten. Sie hoffen, Arten zu finden, die trotz oder auch wegen des Klimawandels in Deutschland künftig gepflanzt werden können.

Einer dieser Orte ist in Gleichen in der Nähe von Göttingen. In einem hügeligen Wald zwischen den Gebirgen Solling und Harz haben die Forstwissenschaftler dort sogenannte Outdoor-Labore errichtet. Auf abgestorbenen Fichtenwald-Flächen wachsen nun seltene heimische sowie nicht heimische Baumarten wie die Elsbeere oder der nordamerikanische Hickory.

2021 wurden sie gepflanzt, als sie jeweils ein Jahr alt waren. Jedes Jahr zum Winter, wenn das Wachstum nachlässt, wird unter anderem die Höhe und der Stammdurchmesser der Bäume gemessen. Auch werden sie auf Schäden an den Blättern untersucht oder es werden Proben für das Labor genommen.

Der Klimawandel mache diese wissenschaftliche Arbeit notwendig, sagt Forstamtsleiter Axel Pampe, der für die Flächen am Rand des Göttinger Waldes zuständig ist. «Die jährlichen Durchschnittstemperaturen steigen stetig. Daran sind die Bäume nicht angepasst.» Eines der prominentesten Beispiele dafür sind die durch Dürre geschwächten Fichten im Harz, denen letztlich der Borkenkäfer den Garaus machte. «Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Bäume schwächer und ihre Gegenspieler stärker werden.» Und bei der Fichte werde es nicht bleiben. Vieles deute darauf hin, dass die Buche der nächste Baum sei.

Die Forscher hoffen, Baumarten zu finden, die an verschiedenen Standorten nicht nur überleben, sondern beispielsweise auch ein gutes Wachstum haben. Schließlich werde Holz auch in Zukunft als Ressource gebraucht, sagt Pampe. Zudem müssten die Bäume mit derzeitigen und zukünftigen Temperaturen und Extremwetter klarkommen. Denn auch wenn sich die Erde erwärme, gebe es bisher zum Beispiel immer noch Tage und Nächte mit deutlich unter null Grad.

Wegen des Klimawandels würden sich viele Waldbesitzer Sorgen machen, sagt FVA-Forstwissenschaftler Nikolas von Lüpke. Der Druck, Antworten zu liefern, sei daher groß. Bloß geht das nicht. Allein schon, weil Bäume langsam wachsen. Frühestens in 40 bis 60 Jahren dürfte es erste solide Erkenntnisse geben, sehr vorsichtige Empfehlungen auch schon eher. Man dürfe nicht zu frühe Schlüsse ziehen, sagt von Lüpke. Das zeige sich etwa am Hickory, der auf dem Versuchsfeld erst jahrelang gar nicht gewachsen sei und dann einen Wachstumsschub bekommen habe.

«Wir dachten schon, das wird nichts - aber er hat vermutlich erst tiefe Wurzeln entwickelt.» Ein positives Indiz, denn flach wurzelnde Bäume dürften es wegen der erwarteten Häufung von Dürren künftig schwer haben. Letztlich könne der Baum aber noch eingehen. «Das wäre kein Problem, Fehlschläge gehören zur Forschung dazu», sagt Kollege Lieven.

Doch warum werden die Baumarten überhaupt so genau untersucht - gibt es nicht bereits genug Wissen? Doch, Wissen gebe es durchaus und das helfe auch bei der Vorauswahl. Allerdings seien die Erkenntnisse nie komplett übertragbar. Der Mittelmeerraum sei eben nicht Deutschland - selbst wenn die Temperaturen sich änderten. Zahlreiche Details würden die Entwicklung der Bäume bestimmen, darunter die Beschaffenheit des Bodens oder die Tierwelt.

Besonders wichtig sei auch, dass nicht heimische Bäume die heimischen Bäume nicht verdrängen würden. Teilweise gebe es auch bereits Wissen über nicht heimische Bäume in Deutschland von interessierten Forstleuten, die diese pflanzten. Dabei handele es sich aber um Einzelfälle, die nicht wissenschaftlich dokumentiert seien.

Letztlich gehe es in der Forschung der Versuchsanstalt aber nicht darum, Arten für einen kompletten Waldumbau zu finden. Gesucht würden Ergänzungen zu heimischen Baumarten, die auch zukünftig den Großteil der deutschen Wälder bestimmen würden, sagt von Lüpke. Zumal - und das wisse man bereits - eine Eiche nicht gleich eine Eiche sei. «Selbst innerhalb von Arten gibt es Unterschiede. Es gibt also auch die Möglichkeit, dass sich heimische Arten an den Klimawandel anpassen.»
dpa
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