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27.03.2024 | 09:30 | Faire Landarbeit 
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Missstände bei landwirtschaftlichen Saisonarbeitern

Frankfurt/Main - Landwirtschaftliche Saisonarbeiter werden nach Einschätzung einer gewerkschaftlichen Initiative in Deutschland weiterhin zu teils illegalen Bedingungen beschäftigt.

Saisonarbeiter
Zehntausende Arbeiter aus Osteuropa werden auch in diesem Jahr wieder die deutsche Obst- und Gemüseernte einbringen. Mit Mindestlohn und sozialer Absicherung können viele nicht rechnen. (c) proplanta
Betroffene schilderten der «Initiative Faire Landarbeit» Fälle, in denen ihnen der Mindestlohn vorenthalten oder ihre Arbeitszeit über die gesetzlich erlaubte Grenze hinaus ausgeweitet wurde. In ihrem am Mittwoch vorgestellten «Saisonbericht 2023» erzählt die von Gewerkschaften und Kirchen getragene Organisation zudem von kurzfristigen Entlassungen bei Akkordunterschreitung und überhöhten Unterbringungskosten, die den Erntehelfern berechnet worden seien.

Die für Landwirtschaft zuständige IG Bauen Agrar Umwelt stört sich gemeinsam mit den Schwestergewerkschaften aus Polen, Bulgarien und Rumänien an der fehlenden sozialen Absicherung insbesondere der kurzfristig Beschäftigten. Für IG-BAU-Vize Harald Schaum ist es «inakzeptabel und nicht nachvollziehbar, dass wir in Deutschland auf die Arbeitskraft ihrer Landsleute setzen, aber kurzfristig Beschäftigten, die teilweise über Jahrzehnte auf unseren Feldern schuften, nicht nur den vollen Krankenversicherungsschutz verweigern, sondern auch Rentenansprüche.»

Jobs mit bis zu 70 Arbeitstagen Dauer können sozialversicherungsfrei gestellt werden, illegale Kettenverträge seien keine Seltenheit, so die Gewerkschaften. Billige Gruppentarife zur privaten Krankenversicherung böten keinen ausreichenden Gesundheitsschutz bei der harten Arbeit auf den Feldern.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel wandte sich gegen die Kontrollpraxis des Zolls, dass den Beschäftigten die Unterkunftskosten vom Mindestlohn abgezogen werden dürfen. Wie am Bau müssten die Arbeitgeber die Kosten für Gruppenunterkünfte tragen.

Die Initiative hat für ihren sechsten Saisonbericht Kontakte zu mehr als 3.000 Saisonkräften ausgewertet. In der Mehrzahl kamen die Menschen aus den EU-Staaten Rumänien und Polen. Nicht in allen Betrieben gebe es Probleme: Positiv wurden der zunehmende Einsatz digitaler Arbeitszeiterfassung und Verbesserungen bei Unterkünften festgestellt. Die Landwirte hätten bei reduzierter Anbaufläche auch weniger Probleme gehabt, geeignete Kräfte zu finden.

Die Zahl der kurzfristig Beschäftigten sinke, weil die Arbeiter über längere Zeiträume sozialversicherungspflichtig angestellt würden.

Über das gesamte Jahr verrichteten sie eine Vielzahl von Jobs in der Tierhaltung, in Baumschulen oder in der Pferdewirtschaft. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren Ende Mai 2023 rund 50.000 Erntehelfer kurzfristig angestellt und mehr als 60.000 Arbeitskräfte aus Osteuropa langfristig in der Landwirtschaft beschäftigt. Über das Gesamtjahr geht die Initiative von rund 275.000 Menschen in der Saisonarbeit aus.

«Ausländische Saisonarbeitskräfte sind insbesondere für unsere zahlreichen Sonderkulturbetriebe unverzichtbare Helfer, die entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zu beschäftigen und zu vergüten sind», teilte der Deutsche Bauernverband mit. Mindestlohnunterschreitungen und massive Arbeitszeitüberschreitungen seien daher nicht akzeptabel. «Solche Verstöße sind aber zum Glück nicht die Regel, sondern die Ausnahme», hob der Branchenverband hervor. Er widersprach der Darstellung, dass Arztkosten bei den Saisonarbeitskräften hängen blieben. Der Verband sprach sich dagegen aus, dass Betriebe die Unterkunftskosten übernehmen. 

 

dpa
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Kommentare 
maximilian schrieb am 31.03.2024 17:27 Uhrzustimmen(5) widersprechen(0)
Hallo, agricola.
Den eigenen Berufsstand als Prekariat bezeichnen, aber andere Mitmenschen, nämlich landwirtschaftliche Saisonarbeiter, ausbeuten in teils illegalen Beschäftigungen.
Solches Verhalten wird allgemein als scheinheilig betrachtet.
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