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09.05.2024 | 16:20 | Lobbyregister 

Mehr Transparenz bei Lobbyarbeit gefordert

Stuttgart - Seit drei Jahren ist das Lobbyregister in Baden-Württemberg in Kraft. Nachdem der Bundestag zuletzt strengere Regeln für Lobbyarbeit beschlossen hat, fordern Experten nun auch für den Südwesten weitere Vorgaben.

Lobbyarbeit
Unternehmen und Verbände zahlen zum Teil hohe Summen, damit ihre Interessen in der Politik vertreten werden. Ein Lobbyregister soll Transparenz schaffen. Doch das geht manchem nicht weit genug. (c) proplanta
«Nach der Reform im Bund muss auch im Südwesten nachgeschärft werden», sagt Timo Lange, Sprecher von Transparency International. Dass nur knapp 400 Organisatoren, Firmen und Verbände im Lobbyregister des baden-württembergischen Landtags vermerkt sind, könne nicht der Realität entsprechen.

Der Bundestag hatte sein Lobbyregister im Oktober vergangenen Jahres nachgeschärft und die Auskunftspflichten von Interessenvertretern ausgeweitet. Sie müssen künftig zum Beispiel angeben, auf welches konkrete Gesetzgebungsvorhaben sie Einfluss nehmen wollen. Außerdem sollen sie die Kernpunkte ihrer Forderungen im Lobbyregister hochladen.

Lange fordert nun, dass auch in Baden-Württemberg bekannt gemacht werden müsse, auf welche gesetzlichen Entscheidungen sich die Lobbyarbeit beziehe. Zudem solle stärker überprüft werden, ob nicht registrierte Unternehmen wirklich auf Lobbyarbeit verzichten. Bei Gesetzesverstößen müsse es härtere Sanktionen geben; wie im Bund von bis zu 50.000 Euro. Dabei hat der Landtag noch nicht einmal von den im Südwesten vorgesehenen Reaktionen Gebrauch gemacht. Diese reichen von einer Abmahnung bis zum befristeten Ausschluss aus parlamentarischen Anhörungen. Lange sieht den Landtag in der Pflicht, Änderungen entsprechend der Gesetzesnovelle im Bund vorzunehmen.

Im Lobbyregister des Landes, das es seit 2021 gibt, veröffentlichen die 391 Organisationen, Verbände und Firmen lediglich ihren Sitz, Interessenbereiche und Kosten für die Lobbyarbeit. Manche geben dem Register zufolge mehrere 100.000 Euro dafür aus, dass ihre Vertreter die aus ihrer Sicht bestehenden Vor- oder Nachteile von Gesetzes- oder Verordnungsvorhaben aufzeigen.

Wer nicht aufgelistet ist, darf nach dem Gesetz auch keine Lobbyarbeit bei Regierung, ihren Mitgliedern, Fraktionen oder Abgeordneten betreiben. Politologin Pia Eberhardt sagt: «Ich bin nicht grundsätzlich gegen Lobbyarbeit, sie muss aber transparent sein.» Die Geldflüsse müssten für Bürger, Politiker und Medien nachvollziehbar sein, sagt die Expertin. «Und es braucht viel strengere Lobby-Regeln als wir sie heute haben, zum Beispiel bei Seitenwechseln von der Politik in die Industrie.»

Beim Aufwand für die Lobbyarbeit reicht das Spektrum von 5.000 Euro bei den Süddeutschen Zuckerrübenanbauern bis zu 300.000 Euro bei der Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (BWIHK). Der Zusammenschluss gehört zu den zwölf Verbänden und Firmen, die sich die Lobbyarbeit 100.000 Euro und mehr kosten lassen. Es folgen der Genossenschafts- und der Bauernverband mit je 250.000 Euro, der Berufsverband Deutscher Internisten (220.000 Euro), die Architektenkammer und der Verband der Chemischen Industrie (beide 200.000). Es sind aber auch Verbände und Institutionen ohne Summe vermerkt, darunter Theaterpädagogen, Angehörige psychisch erkrankter Menschen sowie das Landesarbeitsamt.

Der Eintrag ins Transparenzregister ist unter anderem verpflichtend, wenn die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird oder auf Dauer angelegt ist. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) bewertet das Register ungeachtet der Kritik positiv. «Es ist ein wichtiges Instrument, da es Transparenz schafft.» In einer Demokratie gebe es nichts zu verbergen. Wichtig sei, dass die Zugänge für die Informationen für alle offen seien.

Die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern sind seit dem Start des Lobby-Registers 2021 dabei. Der BWIHK-Tag vertritt das Interesse aller Gewerbetreibenden des jeweiligen Kammerbezirks gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik. «Dazu werden Studien, Kongresse oder auch Kampagnen/Roadshows organisiert», erläutert Sprecher Tobias Tabor. «Die Themen der Interessenvertretung umfassen eine große Bandbreite von Ausbildung bis zu Zollfragen.»

Politikwissenschaftlerin Eberhardt bemängelt: «All das sind Selbstangaben, die nicht oder nur unzureichend überprüft werden.» Auf Bundesebene habe die zuständige Stelle seit März mehr Kompetenzen und personelle Ressourcen, um nicht plausible Angaben zu überprüfen. Das werde sicher zur Korrektur einiger Zahlen führen.

Die Landtagsverwaltung betont, dass sie keine allgemeine Befugnis für eine solche Prüfung habe. Ausnahmen seien Parlamentarische Abende. Das sind von Interessenverbänden ausgerichtete geschlossene Veranstaltungen für Abgeordnete. Der Landtag kann auch checken, ob bei einer parlamentarischen Anhörung von Organisationen und Verbänden diese auch ordnungsgemäß in das Transparenzregister eingetragen sind. Bislang gab es dem Gremium zufolge keine Hinweise auf fehlende Einträge oder Ermittlungen dazu, ob Angaben zutreffen.

Im vergangenen Jahr wurde allerdings ein Dissenz zwischen Landtag und der Mercedes-Benz Group AG bekannt, der ein Schlaglicht auf das sonst wenig beachtete Register warf. Damals argumentierte Mercedes, dass die Transparenzregeln auf das eigene Unternehmen keine Anwendung fänden. In Gesprächen wurden nach Auskunft des Landtags Unklarheiten beseitigt und klargestellt, dass Personen- und Kapitalgesellschaften auch zu den Organisationen im Sinne des Transparenzregistergesetzes zählten. Seit November 2023 ist Mercedes im Lobbyregister des Landes.
dpa/lsw
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