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05.12.2013 | 11:03 | Brachflächen lanwirtschaftlich nutzen 

Welternährung mit Brachflächen in Russland, der Ukraine und Weißrussland sichern

Halle/Saale - Die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion verfügen über weitläufige brachliegende Ackerflächen, die wieder bewirtschaftet werden könnten, um den steigenden Nahrungsmittelbedarf der Weltbevölkerung zu befriedigen.

Getreideanbau auf Brachflächen?
(c) proplanta
Doch der Boden und die Vegetation auf diesen Brachflächen binden große Mengen an Kohlenstoff, die bei einer Rekultivierung in die Atmosphäre entweichen und so zur Erderwärmung beitragen würden.

Forscher des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Mittel-und Osteuropa (IAMO), der Humboldt-Universität zu Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-forschung (PIK) haben ein Modell entwickelt, das es ermöglicht, die räumliche Verteilung der Brachflächen und damit die landwirtschaftlichen Potenziale der Region besser abzuschätzen. Darüber hinaus erlaubt es, Aussagen über das Ausmaß der Kohlenstoffemissionen zu machen, die mit einer Wiederbewirtschaftung verbunden wären.

Die Ergebnisse der Studie sind unter dem Titel „Post-Soviet cropland abandonment and carbon sequestration in European Russia, Ukraine and Belarus“ im renommierten Fachjournal Global Biogeochemical Cycles erschienen.

Durch das globale Bevölkerungswachstum und geänderte Ernährungsgewohnheiten wird sich der weltweite Nahrungsmittelbedarf drastisch erhöhen. Allerdings geht eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion oft mit schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt einher. So ist die Landwirtschaft für rund ein Drittel der globalen Klimagas-Emissionen verantwortlich.

„Wie man die Nahrungsmittelproduktion erhöhen und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich halten kann, ist eine Frage von großer Dringlichkeit“, so IAMO-Wissenschaftler Florian Schierhorn, der die Studie geleitet hat.

Aus diesem Grund ist für die Steigerung der globalen Agrarproduktion die Wiederbewirtschaftung bereits zu früheren Zeitpunkten landwirtschaftlich genutzter Flächen eine interessante Alternative.

Eine große Zahl solcher Flächen befindet sich in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, deren Zusammenbruch drastische Landnutzungsänderungen zur Folge hatte. Diese Flächen stellen ein riesiges Potenzial dar, um Nahrungsmittel für die wachsende Weltbevölkerung zu produzieren und den Landnutzungsdruck in anderen Teilen der Welt, etwa in den Tropen, zu verringern. Allerdings sind auf den ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen in der früheren Sowjetunion erhebliche Mengen an Kohlenstoff in der Sekundarvegetation gespeichert.

Die Wiederkultivierung dieser Flächen würde daher erhebliche Mengen des Klimagases CO2 freisetzen, was berücksichtigt werden sollte, wenn in Zukunft die Agrarproduktion mit möglichst geringen Umweltkosten erhöht werden soll.

Die Wissenschaftler entwickelten ein räumliches Allokationsmodell, mit dessen Hilfe sie die Verteilung von Acker- und Brachflächen in 2.173 Distrikten des europäischen Russlands, der Ukraine und Weißrusslands zwischen 1990 und 2009 kartierten.

Ein Algorithmus verteilte das statistisch dokumentierte Ackerland auf die dafür geeignetsten Flächen. Berücksichtigt wurden dabei globale Landnutzungsdaten, nationale Saatflächenstatistiken, geophysikalische Variablen wie Niederschlagsmenge und Bodenqualität sowie Transportkosten zu größeren Städten. Mit Hilfe eines dynamischen Vegetationsmodells, das am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) entwickelt wurde, simulierten die Forscher im nächsten Schritt die Dynamik der Kohlenstoffspeicherung in den kartierten Flächen.

Die Modellierung ergab, dass im europäischen Russland, der Ukraine und Weißrussland heute 87 Millionen Hektar Land ackerbaulich genutzt werden, während 31 Millionen Hektar ehemaliger Ackerfläche seit 1990 aufgegeben wurden. Der Anteil dieser Brachflächen wurde in der einschlägigen Literatur in der Vergangenheit stets stark unterschätzt. Gleichzeitig wurde errechnet, dass auf den Brachflächen zwischen 1990 und 2009 470 Millionen Tonnen Kohlenstoff gespeichert wurden.

Die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs stieg nach dem Jahr 2000 deutlich an, denn ehemaliges Ackerland benötigt eine Übergangszeit von fünf bis zehn Jahren, um von einer Kohlenstoffquelle zu einer Kohlenstoffsenke zu werden. Eine Rekultivierung länger brachliegender Flächen geht also mit höheren Kohlenstoffemissionen einher und führt auch dazu, dass in Zukunft weniger Kohlenstoff gespeichert wird.

„Mit Hilfe unseres Modells können wir die Vor- und Nachteile einer Rekultivierung und damit einer Intensivierung der Agrarproduktion in dieser für die globale Landwirtschaft wichtigen Region viel besser abschätzen“, erläutert der Wissenschaftler Daniel Müller, der ebenfalls maßgeblich an der Studie beteiligt war. (iamo)
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