(c) agravis „Aktuell liegen noch 10 % bis 20 % der alten Getreideernte auf den Höfen“, berichtete Jan Heinecke von der Agravis Raiffeisen AG bei der diesjährigen Agrarfinanztagung, die der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Landwirtschaftliche Rentenbank am Donnerstag (20. April) in Berlin ausgerichtet haben. Diese Restbestände könnten logistisch kaum noch im Markt untergebracht werden, erklärte Heinecke.
Die Mühlenindustrie sei gut versorgt, und die Stärkeindustrie falle als Nachfrager aktuell sogar vollständig aus. Zwar sei der Export angesprungen, aber auch nicht in dem Maße, dass das Auslandsgeschäft zu einer signifikanten Marktentlastung beitrage.
„Es ist deshalb zu befürchten, dass nennenswerte Mengen Getreide überlagert werden“, sagte Heinecke, der im Vorstand der Agravis unter anderem den Großhandel mit Agrarerzeugnissen verantwortet. Wann der Boden bei den Getreidenotierungen erreicht ist, kann dem Marktexperten zufolge niemand vorhersagen. In den 2022 gezahlten Rekordpreisen sei aber eine „Kriegsprämie“ eingepreist gewesen, die sich in den letzten Monaten sukzessive aufgelöst habe.
Der Preisverfall habe bei den Landwirten zu einer Art „Verweigerungshaltung“ geführt, da sie Getreide aus der Ernte 2022 für die aktuell möglichen 230 Euro/t nicht verkaufen wollten. Für die neue Ernte berichtete Heinecke für das Einzugsgebiet der Agravis von einer „leicht unterdurchschnittlichen“ Vorverkaufsquote.
Der Umfang abgeschlossener Vorkontrakte sei im Osten traditionell höher als im Westen. Habe man in den vorherigen Jahren zur gleichen Zeit 20 % bis 25% der nächsten Getreideernte über Vorkontrakte gebunden, seien es aktuell unter 20 %.
Energiemärkte färben ab
Der Leiter des Instituts für Marktanalysen am Thünen-Institut, Prof. Martin Banse, geht indes davon aus, dass sich die Landwirte ungeachtet der aktuellen Vermarktungsprobleme gut auf die volatilen Agrarmärkte eingestellt haben. „Die seit 2007/08 stark schwankenden Preise erfordern andere Instrumente des Risikomanagements und der Risikoabsicherung, die aber auch vorhanden sind“, stellte der Wissenschaftler fest.
Banse erwartet, dass die Volatilität an den Agrarmärkten bis auf weiteres erhalten bleibt. Er begründete dies bei der Agrarfinanztagung mit schrumpfenden Reserven in wichtigen Exportländern sowie den turbulenten Energiemärkten, die traditionell eng mit den Agrarmärkten verbunden seien.
Volatile Märkte mit zeitweise regelrecht explodierenden Preisen seien im Übrigen kein grundsätzlich neues Phänomen im Agrarbereich, stellte der Thünen-Wissenschaftler klar.
Neu sei aber, dass sich die kurzfristige Volatilität - also die Kursschwankungen innerhalb eines Tages sowie von Monat zu Monat - stark erhöht hätten, was ein effizientes einzelbetriebliches Risikomanagement erfordere.
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