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18.04.2009 | 08:29 | Gentechnik  

Segen oder Sündenfall? Gentechnik im Kreuzfeuer

Berlin - Genmais mit eingebautem Gift, besonders saftige Schweine mit Patent:

Segen oder Sündenfall? Gentechnik im Kreuzfeuer
(c) Remar - fotolia.com
Kaum ein Feld ist so umstritten wie Gentechnik in der Landwirtschaft. Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist groß, der Protest gegen Gentechnik wächst - nicht nur in Bayern. Doch vielfach bestimmen Klischees die Debatte. Denn auf dem Teller ist die Gentechnik bisher nur indirekt angekommen. In deutschen oder europäischen Supermarktregalen finden sich derzeit keine reinen gentechnisch veränderten Produkte, die Gentechnik spielt dennoch bei der Herstellung eine Rolle. Zudem wird in Labors mit genveränderten Pflanzen geforscht. Genmais darf vorerst nicht auf den Acker.

Zwei Entscheidungen sorgten jüngst für Wirbel. Das Genmais- Verbot von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und der Protest gegen ein Schweinezucht-Patent. Aigner hat angesichts der Bedenken in der Bevölkerung und kritischer Studien den Anbau von Genmais MON 810 des Unternehmens Monsanto gestoppt. «Eine Gefahr für die Umwelt» befürchtet die CSU-Politikerin. Sie verschärfte damit den Gentechnik- Kurs drastisch, denn ihr Vorgänger Horst Seehofer hatte den Saatgutverkauf von MON 810 lediglich vorübergehend verboten.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn sieht große Risiken in der Gentechnik: «Wenn wir hier in Deutschland mit gentechnisch veränderten Pflanzen arbeiten, ist irgendwann alles kontaminiert und nichts mehr Gentechnik-frei.» Imker und Bio-Bauern hätten Probleme, weil sie ihre Ware nicht mehr anbieten dürften, wenn sie gentechnisch verschmutzt sei. Die Folgen für die Umwelt seien unklar. Auch Aigner befürchtet, dass Genmais nicht nur den Maiszünsler - einen Schmetterling -, sondern auch andere Tiere und Pflanzen gefährdet. Höhn sieht noch ein Problem: «Wenn wir nicht mehr gentechnikfrei sind, sind wir in der Hand von einigen großen, international agierenden Gentechnik- und Chemieunternehmen.»

Das Genmais-Verbot hat einen Streit innerhalb der Bundesregierung - und der Union - ausgelöst. Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) fürchtet, dass das Klima für den Forschungsstandort schlechter wird, obwohl die Forschung weiter gefördert werden soll. «Jetzt muss es eigentlich Entscheidungen geben, die künftige Arbeitsplätze und künftigen Wohlstand generieren.» Es wird schon weniger geforscht. Im Jahr 2007 gab es genveränderte Pflanzen noch an 80 Standorten, 2008 an noch 39, berichtet der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter.

Schon in den 1990er Jahren gab es militante Gentechnikgegner. Anlass waren die ersten Freilandversuche mit genveränderten Pflanzen in Deutschland, mit Petunien. Wenn es um Gentechnik geht, ist Deutschland ein Zwerg. Genmais sollte 2008 auf knapp 3.600 Hektar angebaut werden, 0,2 Prozent der gesamten Anbaufläche für Mais. Weltweit wuchs die Ackerfläche mit genveränderten Pflanzen im vergangenen Jahr nach Angaben der Pflanzenzüchter auf 125 Millionen Hektar. In der EU ist nur Genmais MON 810 für den kommerziellen Anbau erlaubt, sechs Länder haben dies bisher verboten.

Monsanto Agrar Deutschland - ein Ableger des weltgrößten Agrar- und Biotechnikkonzerns - will rechtliche Schritte gegen das Genmais- Verbot prüfen. Das Unternehmen kritisiert Aigners Entscheidung als nicht nachvollziehbar. Monsanto ist auch im Spiel bei dem Schweinezucht-Patent, gegen das rund 400 Umweltschützer und Bauern am Mittwoch in München demonstrierten. Der Konzern hatte das Patent 2005 angemeldet, übertrug es aber in der Zwischenzeit auf das US- Unternehmen US-Unternehmen Newsham Choice Genetics.

Der Fall ist anders gelagert: Hier dreht es sich um ein Verfahren, bei dem per Genanalyse die Zucht von Schweinen mit besserem Fleisch ermöglicht werden soll. Also geht es nicht um genetische Veränderung, sondern um eine Art genetische Auswahl. Es wird befürchtet, dass all jene mit Patentgebühren rechnen müssen, deren Schweine das Gen haben, dass sie schneller Fleisch ansetzen lässt. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner fürchtet, dass damit die Großkonzerne Zugriff auf Tiere bekommen und entscheiden, was gezüchtet wird. «Diesen ganz großen Sündenfall werden wir verhindern.» (dpa)
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