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28.07.2023 | 02:25 | Sommertour 2023 

Moore, Schafe, Energie - Özdemirs Sommertour aufs Land

Thallwitz / Gollwitz / Feldheim - Eine Schafherde in Sichtweite auf der Wiese, ein paar Schritte in ein Weizenfeld: Natürlich bekommt Cem Özdemir auch die Landwirtschaft mit in den Blick.

Cem Özdemir Sommertour 2023
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In dünn besiedelten Regionen fühlen sich einige abgehängt - wenn Läden schließen, das Internet lahmt, aus Frust über «die Politik». Doch es gibt Ideen und mehr, wie Minister Özdemir zu sehen bekommt. (c) proplanta
Unterwegs ist der Bundesagrarminister von den Grünen aber vor allem als Ressortchef für die ländlichen Räume als ganze. Unter dem Motto «Die Kraft unseres Landes» geht es auf Sommertour durch sechs Bundesländer. Erst im Osten, dann noch nach Hessen und Bayern. Das soll Aufmerksamkeit auf Innovationen lenken, die aus Dörfern und kleinen Städten kommen - bei der Energiewende, beim Klimaschutz, für Zusammenhalt. Und gehen soll es auch um Präsenz und Dialog in Zeiten stark polarisierter Debatten.

Die Überschrift der Tour sei bewusst gewählt, sagt Özdemir. «Weil dieses Schlechtreden des eigenen Landes auch ein Kennzeichen ist von denjenigen, die sich freuen, wenn es dem Land schlecht geht.» Das zielt auf die AfD mit ihren aktuell hohen Umfragewerten. Dabei sei klar: «Wer bei der AfD Funktionär ist, steht auf der anderen Seite der Barrikade.» Da sei sein Auftrag, das Grundgesetz zu verteidigen. Bei dem einen oder anderen, der sich vorstellen könne, AfD zu wählen, sei es aber auch Teil seiner Jobbeschreibung, sich mit den Leuten zu unterhalten und zu versuchen, sie mit Argumenten zu überzeugen.

Stärker ins Licht kommen sollen bei der Sommertour aber zu allererst gute Beispiele und vielversprechende Projekte. Donnerstagmorgen im sächsischen Thallwitz, Leipziger Umland. Özdemir sitzt unter einem Kronleuchter im Herrenhaus des Ortsteils Röcknitz. «Unser Geheimnis ist interkommunale Zusammenarbeit», sagt Bürgermeister Thomas Pöge per Video aus dem Urlaub am Atlantik. Die Maxime sei: «Die Kirche, das Rathaus und die Schule bleiben im Dorf.» Und dann hört der Minister aus Berlin von einer großen Palette gemeinsamer Vorhaben - von Energieversorgung und Glasfaserausbau in Eigenregie und konkreten Hilfen fürs Vereinsleben als wirksame Art der Demokratieförderung.

Verlässlichkeit bei den staatlichen Bedingungen ist ein Anliegen auch bei den vorherigen Tour-Stationen. «Energiewende tut nicht weh», sagt Michael Knape, Bürgermeister der Stadt Treuenbrietzen in Brandenburg. «Energiewende kann Spaß machen, wenn man uns denn lässt.» Nach allem Zoff um das Heizungsgesetz der Ampel-Koalition sind das erstaunliche Töne. Doch Özdemir hört sie im «Bioenergiedorf» im Ortsteil Feldheim, das sich seit Jahren selbst mit Strom und Wärme versorgt - betrieben von den Bürgerinnen und Bürgern und der Agrargenossenschaft. Hinter der Biogasanlage, die mit Gülle und Mais läuft, drehen sich Windräder.

Das Projekt zeige, wie man die Leute bei der Energieversorgung der Zukunft mitnehme, sagt Özdemir. Er selbst bekommt den Wunsch nach Sicherheit für eine längerfristig mögliche Biogasnutzung mit. Und auch Erwartungen nach mehr Förderung für bessere Bedingungen in den Ställen. «Die Tierhaltung umzubauen kostet wirklich Geld,» sagt Sebastian Herbst, der Chef der Agrargenossenschaft, die auch Schweine hält. Der Minister hat fürs Erste eine Milliarde Euro reservieren können, für einen breiteren Wandel reicht das aber noch nicht aus.

Frisches Fördergeld übergeben kann Özdemir auf einer Wiese in Brandenburg an der Havel, Ortsteil Gollwitz. Mit 18,4 Millionen Euro unterstützt der Bund das auf neun Jahre angelegte Modellvorhaben «WetNetBB». Dabei sollen vier trockengelegte Moorflächen im Land Brandenburg wieder nass werden, um dort eine neue, nachhaltige Nutzung zu entwickeln - etwa mit Pflanzen, die als Baumaterial oder Torf-Ersatz verwendet werden können. Denn aus trockenen Mooren kommen laut Ministerium 6,7 Prozent der Treibhausgasemissionen hierzulande.

Es gehe um sehr viel mehr als Flächen wieder nasszumachen, sagt die Projektleiterin Annette Prochnow vom koordinierenden Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei denkt sie nicht nur an leichtere Traktoren für feuchte Böden. Ein schwieriges Thema ist die Akzeptanz unter Bauern, die ihre Flächen weiter nutzen wollen, und bei Anwohnern mit Sorgen vor womöglich feuchten Kellern. Und Absatzmärkte müssen her. Özdemir hebt Freiwilligkeit als Prinzip hervor. Schützen und nutzen gehe zusammen.

Bei der Tour solle sichtbar werden, dass das Land aus sich selbst heraus wichtig sei. «Da leben nicht diejenigen, die es noch nicht in die Stadt geschafft haben», sagt Özdemir. «Da wohnt die Mehrheit unserer Leute.» Und da finde eben auch ein wesentlicher Teil der Innovationen statt. In den Gesprächen wird deutlich, dass es für neue Wege und bessere Alltagsverhältnisse noch mehr zu tun gibt. Auf dem Programm standen bis diesen Freitag auch Stationen in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Fortsetzung im Westen folgt dann in der nächste Woche.
dpa
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