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10.07.2017 | 08:17 | Zöliakie 
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Schonender Nachweis von Gluten-Unverträglichkeit bei Kindern möglich

München - Kindern mit Verdacht auf Zöliakie - einer Gluten-Unverträglichkeit - kann in vielen Fällen eine belastende Magenspiegelung unter Narkose erspart werden.

Unverträglichkeit von Klebereiweiß
Bauchweh, Durchfall - das haben Kinder immer wieder einmal. Wenn andere Faktoren dazu kommen, kann es ein Hinweis auf eine lebenslange Autoimmunerkrankung sein. Bisher war zur Diagnose ein größerer Eingriff nötig. (c) proplanta
Eine in der Fachzeitschrift «Gastroenterology» veröffentlichte internationale Untersuchung ergab, dass eine zuverlässige Diagnose in mehr als 50 Prozent der Fälle ohne den Eingriff gestellt werden kann. Die Magenspiegelung galt über Jahrzehnte als notwendig.

Etwa ein Prozent der Kinder und Jugendlichen in Europa leiden an der Gluten-Unverträglichkeit Zöliakie. Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Gerste, die das Klebereiweiß Gluten enthalten, lösen bei ihnen eine Reaktion des Immunsystems aus. Das führt zur chronischen Entzündung der Dünndarmschleimhaut.

Die Beschwerden bei Zöliakie sind sehr vielfältig, sie reichen von Verdauungsproblemen mit Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen oder Verstopfung bis zu vermindertem Wachstum oder Blutarmut. Zöliakie-Patienten müssen lebenslang auf alle Speisen mit Gluten verzichten.

Für Kinder bedeute eine Magenspiegelung mit Gewebeentnahme, dass sie tagsüber in der Klinik bleiben müssten - mit allen Ängsten und Unannehmlichkeiten, sagte die Leiterin der Kindergastroenterologie im Dr. von Haunerschen Kinderspital am Uniklinikum München, Sibylle Koletzko, die mit ihren Mitarbeitern die neue Studie koordinierte.

Der Verzicht auf die Spiegelung sei nicht nur für die Kinder angenehmer, sondern gehe auch mit erheblichen Kosteneinsparungen im Gesundheitssystem einher. Auch die teuren genetischen Untersuchungen seien für die sichere Diagnose nicht mehr notwendig. Die Veranlagung für die Krankheit ist erblich, auch wenn die genauen Auslöser bis heute nicht bekannt sind.

Weil die Beschwerden oft wechseln, werde die Zöliakie auch als Chamäleon unter den Krankheiten bezeichnet, sagte Koletzko. «Die Zöliakie gehört zu den Top Ten der übersehenen Krankheiten. Dabei ist sie sehr häufig.»

Koletzko und ihre Kollegen sammelten in 33 Kliniken in 21 Ländern Daten, Labor- und Gewebeproben von mehr als 700 Kindern und Jugendlichen mit Zöliakie-Auto-Antikörpern. Das sind von Immunzellen gebildete Abwehrstoffe, die sich gegen das eigene Gewebe richten und eine Entzündung im Darm auslösen können.

Die Wissenschaftler konnten anhand der Daten nachweisen, dass eine sichere Diagnose in vielen Fällen auch anhand spezifischer Beschwerden und Bluttests mit deutlichen Ergebnissen gestellt werden kann. Fallen die Blutuntersuchungen weniger eindeutig aus, sei weiterhin eine Magenspiegelung nötig, sagte Koletzko. Ob auch bei Kindern ohne offensichtliche Symptome oder bei Erwachsenen eine Zöliakie ohne Gewebeprobe sicher diagnostiziert werden kann, müssten nun weitere Studien klären.

Manche Menschen meiden ohne Not Gluten - weil sie das für besonders gesund halten. «Die Erkrankung Zöliakie darf nicht mit dem Modetrend «Gluten-Sensitivität» und einer selbstgewählten glutenfreien Diät, die ohne Notwendigkeit nicht als vorteilhaft angesehen werden kann, verwechselt werden», sagte Koletzko. Eine glutenfreie Ernährung sei in manchen Fällen sogar ungesünder, weil wichtige Nährstoffe etwa aus Vollkornprodukten fehlten.
dpa
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Kommentare 
Dr. Gero Beckmann, Fachtierarzt für Mikrobiologie schrieb am 11.07.2017 08:10 Uhrzustimmen(43) widersprechen(39)
Vielen Dank für den Hinweis auf die Studie. Eigentlich sollte es eine ärztliche Selbstverständlichkeit sein, Kindern invasive Torturen wie eine Magenspiegelung zu ersparen. Derartiges Feingefühl ist leider nicht überall zu erwarten. Viele Gastroenterologen haben jahrzehntelang z.B. die Zusammenhänge zwischen enteraler Mikroflora und darmschleimhautassoziertenm Immunsystem - auch die Zöliakie gehört in diesen Zusammenhang - ignoriert und stattdessen lieber endoskopiert. Ein Schelm, der dabei an die Abrechenbarkeit über die GÖÄ denkt...
cource schrieb am 10.07.2017 08:26 Uhrzustimmen(23) widersprechen(27)
selbst wenn es angeblich nur bei genetischer veranlagung zu darmentzündungen und autoimmunkrankheiten kommt, stellt der verzicht auf alle stärke/zucker/hülsenfrüchte/nachtschattengewächse/milch/fette fleischprodukte eine enorme entlastung für das verdauungssystem/immunsystem dar und führt damit automatisch zu einer leistungssteigerung--hört auf das unbedarfte volk in das offene messer laufen zu lassen, wenn die gleichen ernährungswissenschaftler den leistungssportlern empfehlen auf diese dickmacher/energieräuber zu verzichten
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