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24.10.2022 | 04:27 | Treibstoff 
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Biokraftstoffe vom Acker bleiben Zankapfel der Ressorts

Berlin - Innerhalb der Bundesregierung gibt es weiterhin keine einvernehmliche Position zur Zukunft der Biokraftstoffe vom Acker.

Biokraftstoff
Bundesverkehrsministerium lehnt Ausstieg weiterhin ab - Bundesumweltministerium bekräftigt Argumentation. (c) proplanta
Das Bundesverkehrsministerium lehnt die Initiative von Umweltministerin Steffi Lemke nach wie vor ab, aus der Förderung der Biokraftstoffe auszusteigen und die Biokraftstoffquote schrittweise auf Null senken. Demgegenüber hält das Umweltressort an seiner kritischen Haltung gegenüber Biokraftstoffen fest. Eine Annäherung beider Seiten hat es in den bisherigen Gesprächen dem Vernehmen nach nicht gegeben.

Eine ursprünglich für den 2. November geplante Kabinettsbefassung mit einer Änderung des Biokraftstoffquotengesetzes ist offenbar bereits vom Tisch. Ob es noch zu einer Einigung kommen kann oder der Vorstoß der Umweltministerin trotz der Unterstützung durch ihre Kabinettskollegen Dr. Robert Habeck und Cem Özdemir im Sande verläuft, vermag derzeit niemand in Berlin zu sagen. Zumindest deuten die Zeichen derzeit nicht auf einen Kompromiss.

Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen

Das Bundesverkehrsministerium und sein Chef Dr. Volker Wissing machen kein Geheimnis daraus, dass sie an den Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse festhalten möchten. Sie verweisen auf deren spürbaren Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Eine Absenkung oder gar ein Auslaufen der Biokraftstoffquote würde die ambitionierten Klimaziele unterlaufen, die jedes Ressort in seinem Bereich erbringen muss, so die Befürchtung im Ministerium für Digitales und Verkehr.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Klimaschutzbeitrag der Biokrafttaftstoffe mittelfristig kaum durch E-Fahrzeuge kompensiert werden könnte. Zwar wollte das Bundesverkehrsministerium den Stand der regierungsinternen Abstimmung auf Nachfrage wie üblich nicht kommentieren. Ein Sprecher wies jedoch darauf hin, dass bislang kein Referentenentwurf des Umweltministeriums vorliege. Eine Ressortabstimmung scheint damit allein aufgrund der knappen Zeit bis Anfang November unrealistisch.

Beratungen noch nicht abgeschlossen

„In Zeiten einer sich weltweit verschärfenden Ernährungssituation ist es aus unserer Sicht nicht vertretbar, weiter große Mengen an Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln im Verkehrsbereich zu fördern“, erklärte ein Sprecher des Umweltressorts gegenüber AGRA-EUROPE. Seinen Angaben zufolge sind die Beratungen darüber, inwieweit die Förderung von diesen Agrokraftstoffen weiter begrenzt und heruntergefahren wird, innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

„Deutschlands Klimaziele und die Verkehrswende erreichen wir besser mit dem Ausbau der Elektromobilität“, betonte der Sprecher. Außerdem stünden in den kommenden Jahren immer mehr fortschrittliche und abfallbasierte Agrokraftstoffe - unter anderem aus Gülle, Stroh oder auch Altspeiseölen sowie grüner Wasserstoff - als nachhaltigere Optionen zur Verfügung.

Der Sprecher verwies auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der die Verletzlichkeit und Abhängigkeit der fossilen Energieversorgung, aber auch der weltweiten Lebensmittelversorgung schmerzhaft vor Augen führe. Der kriegsbedingte Lieferausfall von Getreide aus der Ukraine und der Ausfall eines erheblichen Teils der dortigen Ernte machten die weltweit bereits angespannte Situation noch schwieriger.

iLUC-Effekte

Die hohe und steigende Nachfrage nach Agrargütern zur Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung müsse gedeckt werden, so der Sprecher. Die sich daraus ergebenden Preissteigerungen bei Lebensmitteln spürten vor allem die Menschen in ärmeren Ländern, aber auch die Menschen in Deutschland. Die Förderung von Biokraftstoffen aus diesen Rohstoffen verstärke die Nachfrage.

„Agrarflächen sind weltweit begrenzt, und wir brauchen die Flächen dringend für die Ernährung“, betonte der Ministeriumssprecher. Ihm zufolge ist der Anbau von Energiepflanzen indirekt mit zusätzlichen Emissionen verbunden: „Wenn Energiepflanzen auf bestehenden Agrarflächen angebaut werden, muss die Nahrungsmittelproduktion ausweichen, meist in Wald- und Moorgebiete.“ Im Zuge dieser „indirekten Landnutzungsänderung“ (iLUC), gingen wichtige CO2-Senken verloren.

Diese Effekte seien weltweit feststellbar und würden in der Ökobilanz der Kraftstoffe nicht berücksichtigt. Die Klimaschutzwirkung von Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln werde daher zu Recht seit vielen Jahren angezweifelt.

Biokraftstoffe für Klimaschutz gebraucht

Klarheit für die Biokraftstoffindustrie forderte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe), Stefan Walter. „Es wäre vernünftig, wenn Bundesumweltministerin Lemke jetzt schnell und endgültig von ihrem innerhalb der Regierungskoalition nicht abgestimmten Vorhaben Abstand nimmt“, sagte Walter zur Zielsetzung des Ressorts, aus der Förderung von Biokraftstoffen auszusteigen.

Gegenüber AGRA-EUROPE widersprach der Verbandsgeschäftsführer der Argumentation des Umweltministeriums, der Einsatz von Biosprit aus Anbaubiomasse verschärfe die ohnehin angespannte weltweite Ernährungslage: „Bioethanol aus ganz überwiegend zur Ernährung ungeeigneten Ackerpflanzen ist kein Treiber weltweiter Nahrungsmittelpreise.“ Stattdessen würden die bei der Produktion entstehenden Koppelprodukte wie Futter- und Düngemittel oder biogenes CO2 dringend zur Sicherung der heimischen Lebens- und Futtermittelwirtschaft benötigt und sorgten damit für Ernährungssicherheit.

Keine Verlässlichkeit

Wenig hilfreich sei es, so Walter, langfristig ausgelegte Rahmenbedingungen für erneuerbare Kraftstoffe im Verkehr und damit für mehr Klimaschutz immer wieder in Frage zu stellen. Erst vor rund einem Jahr habe der Gesetzgeber die Treibhausgasminderungsvorgaben für den Verkehr bis 2030 neu regelt und dabei auch Biokraftstoffen eine begrenzte Rolle zugeschrieben. „Fast 90 % der CO2-Einsparungen im Verkehr leisten derzeit Biokraftstoffe“, betonte der BDBe-Geschäftsführer.

Zu ihnen gebe es angesichts des ganz überwiegend mit Verbrennungsmotoren angetriebenen Fahrzeugbestandes mittelfristig keine Alternativen. Ohne diesen Klimaschutz seien die CO2-Minderungsziele im Verkehr nicht erreichbar. Die vom Bundesumweltministerium immer wieder unterstellten Effekte der indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC) stehen laut Walter aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegen, wonach die Nutzung zertifiziert nachhaltiger europäischer Agrarrohstoffe keinerlei derartige Effekte nach sich ziehe.
AgE
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agricola pro agricolas/ das Original schrieb am 24.10.2022 07:25 Uhrzustimmen(42) widersprechen(9)
Vorstehend zeigt sich das wahre „hässliche“ Gesicht von krass GRÜN. Für eben eine solche wie auch immer durchnächtigte Grundhaltung nimmt man allenthalben derzeit vorzugsweise notgedrungenermaßen die Braunkohleverstromung in Kauf -redet heute wirklich dem „allerletzten Dreck“ das grün erstrahlende Wort- als dass man konsequenterweise unsere BIO-Müllbergeproduktion auf ein Normalmaß reduzierte, meint alles nur für den Tisch, was wirklich auch verkonsumiert werden kann, ein anderer durchaus verzichtbarer quotaler Anteil für die Energieerzeugung. Unsere Altvorderen beherrschten seinerzeit jedenfalls eben dieses zu damaligen Zeiten notwendige Verteilschema außerordentlich gut, ohne hinreichend Futter blieben bei Ochs und Esel die Räder nämlich einfach stehen.

Auf sage und schreibe über etwa 5 Mio. Hektar NUR(!) hier in Deutschland installiert Lemke ganz brutal einen irrsinnigen Deckel, auf dem Bauerngeld zumeist vollkommen sinnbefreit einfach verbrannt wird. Das können sich auf Dauer ausschließlich unsere bestens staatlich alimentierten Entscheider leisten, ein dato geradezu typisches dekadent abgehobenes Wohlstandsdenken, das billigend in Kauf nimmt, dass all diejenigen nach wie vor hungern müssen, die nicht in das richtige Fleckchen Erde hineingeboren wurden. Selbst heute rückt man augenscheinlich von eben dieser Position keinen einzigen Millimeter ab.

In einer Begründung seitens unserer Umweltministerin Steffi Lemke auf den aktuellen Zielkonflikt des weltweiten Hungers hinweisen zu wollen -abenteuerlicher könnte man eine solche These kaum mehr missbrauchen- zeugt mehr als eindrucksvoll von der Tatsache, dass man aus einer vollkommen verblendeten ideologischen Grundhaltung heraus die eigentliche Problematik geistig wahrlich nicht durchdrungen hat, bis heute nicht:

Bei den gegenwärtigen Pflanzenölerträgen, welche Pflanze auch immer, stellen in der Regel um die 1.000 Liter Treibstoffäquivalent vom Acker pro Hektar überhaupt keine Utopie dar; jedes kleine Bäuerlein kann, nachdem er ein Invest von um die 2.000 € in die Hand genommen hat für eine Pflanzenölpresse, sein eigenes Pflanzenöl/seinen"Treibstoff“ auf dem Hof produzieren. Damit entfiele natürlich der systematisch in sämtlichen Facetten heute filigran bediente staatliche Flaschenhals für eben diesen Bereich zunächst einmal, eine hoch präzise Mengenerfassung, gierigst in Erwartung stehende Euronen, die Lemke und Co. keinem kleinen Bäuerlein jemals wirklich gönnen wollten. Der mögliche interne Handel unter Bauern erführe neue Dimensionen schlussendlich, dahingehend kann kein überzeugter GRÜNER grundehrlich gönnen wollen...

Eine solche Energiequelle verbliebe direkt im Wertschöpfungskreislauf des jeweils eigenen Hofes und schützte damit ganz nebenbei nachhaltig unser Klima - ein überaus wünschenswert positiver Doppeleffekt. Wir sprechen hier übrigens von allenfalls 40%, die derart genutzt würden. Mehr als die Hälfte eben auch dieses Flächenertrages steht als Eiweißträger forthin in den vielfältigsten Variationen für die menschliche Ernährung zur Verfügung.

Einem treudoof lemminghaften Bauerntor versagt man allerdings einen solchen Fortschritt nach wie vor systematisch, in unseren Schaltzentralen der Macht wird ein dauerhaft zwischengeschalteter Verhinderungsmechanismus ganz brutal mit Zähnen und Klauen verteidigt selbst in den heutigen monumentalen Krisenzeiten noch.

Man hätte meinen wollen, dass aufgrund einer Regierungsbeteiligung der GRÜNEN dieselben nun erheblich „sortierter“ aufwarten, aber weit gefehlt, man setzt an bislang Erreichtem jetzt sogar die Brechstange wieder an...!!!

Wer grünen Wasserstoff im übrigen im Tank der zur Verfügung stehenden Individualmobilität zu verfahren gedenkt, der kann sich gleichwohl unseres BIO-GASES bedienen. Auf der einen Seite ist die grüne Energie gut und gewollt - auf der anderen Seite widerspiegelt sie den „bösen Missbrauch“ unserer Mutter Natur. - Oh ihr Scheinheiligen alle!!! Keine Ahnung von der Materie, demgegenüber jedoch eine felsenfest unverrückbare Schwachmatenmeinung...

Krass GRÜN will die Tierhaltung hierzulande zumindest halbieren, bestenfalls in der Nahrungsmittelkette komplett eliminieren, und man setzt mittel- bis langfristig u.a. vorstehend gelistet auf Gülle und Stroh im Tank; wie abstrus widersprüchlich mutet eine solche Argumentation an, wenn man nur ansatzweise imstande ist, vernetzend zu denken!?

Derzeit lagert in Zeiten einer weltweiten Hungerkrise hierzulande Getreide auf den Höfen, das niemand braucht, niemand haben will. Russische Hehlerware strömt zu Dumpingpreisen in die dem Vernehmen nach überquellenden Läger unserer Händler, ...!!! - Nur eine kleine, unscheinbare Randnotiz, hochverehrte Frau Lemke!!!

Wer die Zukunft neu denken und gestalten will, dabei heute leider in steinzeitlichen Denkmustern zu starten gedenkt, hat mit einer solchen fehlgeleiteten Positionierung seinen Regierungsanspruch komplett verwirkt. Dieses Modell fährt allenfalls unser dekadentes Wohlstandsindustrieland vor die Wand, stellt diesen Wohlstand extrem willfährig zur Disposition. Wem ist damit gedient!? Nicht den Menschen, nicht den Tieren und schon gar nicht der Klimarettung!!!
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