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15.01.2023 | 12:01 | Die Zukunft der Bioenergie 

Teller, Tank und Trog-Debatte - Kann auf Biokraftstoffe wirklich verzichtet werden?

Berlin - Die Forderung von Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir für einen schrittweisen Ausstieg aus Biokraftstoffen auf Basis von Nahrungspflanzen stößt in Politik und Verbänden weiter auf scharfe Kritik.

Teller, Tank & Trog-Debatte
Getreide zuerst auf den Teller, in den Trog oder Tank? Kann auf Biokraftstoffe wirklich verzichtet werden? (c) proplanta
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, warf den grünen Ressortchefs eine „Politik mit einfachen Feindbildern, plumpe Schwarz-Weiß-Malerei und unterkomplexe Argumente“ vor. Bereits jetzt seien Biokraftstoffe aus Nahrungsmitteln nach oben fest gedeckelt, in Deutschland strenger als von der EU verlangt. Der Einsatz von Abfall- und Reststoffen, „die keiner auf dem Teller haben will“, werde besonders gefördert, erklärte Bilger.

Nach Einschätzung des CDU-Politikers sind die Klimaziele im Mobilitätsbereich ohne Biokraftstoffe nicht zu erreichen. Ähnlich äußerten sich der Deutsche Bauernverband (DBV), der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) sowie der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe).

Attraktive Fruchtart

„Ohne Biokraftstoffe würden die Klimaziele im Verkehrssektor noch stärker verfehlt werden; dieser Tatsache dürfen die grünen Minister für Landwirtschaft und Umwelt nicht ausweichen“, warnte der Vorsitzende des DBV-Fachausschusses für Erneuerbare Energien und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Michael Horper. Seinen Angaben zufolge sind Biokraftstoffe in einem angemessenen Ausmaß eine sinnvolle Verbindung zwischen Teller und Tank, jedoch kein Gegensatz.

Zuckerrüben zur Ethanolherstellung stellten eine wichtige Sommerkultur dar, und Raps sei als Grundstoff für heimischen Biodiesel eine besonders für Bienen attraktive Fruchtart. Außerdem seien die Eiweißfuttermittel aus der Biokraftstoffproduktion wichtig für die heimischen Kreisläufe in der Tierfütterung und verringerten auf diese Weise Sojaimporte.

Verbrennungsmotor auch nach 2030 dominierend

Der VDB warnte erneut vor falschen Weichenstellungen in der Verkehrspolitik. „Wer der Realität ins Auge blickt, kommt an Biokraftstoffen beim Klimaschutz im Straßenverkehr bis auf weiteres nicht vorbei“, betonte VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann anlässlich des „Autogipfels“ vergangene Woche im Bundeskanzleramt. Nur wenn das nachhaltige Potential von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan genutzt werde, seien die verbindlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes heute und bis 2030 einzuhalten, so Baumann.

Er begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, die Elektromobilität und die dafür erforderliche Ladeinfrastruktur weiter auszubauen. Allerdings dürfe der bestehende Fahrzeugbestand nicht außer Acht gelassen werden. „Derzeit liefern fast ausschließlich Biokraftstoffe verlässlichen Klimaschutz im Straßenverkehr“, erläuterte der VDB-Geschäftsführer. Bis 2030 würden sie den größten Anteil an der Emissionsminderung leisten. Selbst wenn die Bundesregierung die Ziele für E-Mobilität erreiche, werde es 2030 noch über 30 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor geben.

Verlagerung zum Güterverkehr

„Biokraftstoffe können den großen Fahrzeugbestand und Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimafreundlicher machen“, argumentiert Baumann. Seiner Auffassung nach würde ein Verzicht auf Biokraftstoffe das Ziel vereiteln, schnell den Verbrauch fossiler Energie im Straßenverkehr herunterzufahren. Zudem werde ohne Biokraftstoffe der Bundeshaushalt stark belastet.

Als Grund hierfür nannte Baumann die europäischen Klimaschutzvorgaben in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude. Erreiche Deutschland diese Ziele nicht, müsse die Bundesrepublik Verschmutzungsrechte von anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kaufen, die ihre Vorgaben übererfüllten. Durch ihre CO2-Einsparungen könnten Biodiesel, Bioethanol und Biomethan diese Verpflichtungen stark mindern und dadurch bis 2030 bis zu 10 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt einsparen. Mittel- und langfristig sei eine Verlagerung der Nutzung von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan sinnvoll. „Biokraftstoffe sollten in einigen Jahren verstärkt im Straßengüterverkehr und in besonderen Anwendungen zum Beispiel in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen“, unterstreicht Baumann.

Äußerungen „verzerrend“

Der BDBe wies den von Minister Özdemir in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe bemühten Gegensatz von Tank, Teller und Trog zurück. Der Verbandsvorsitzende Norbert Schindler bezeichnete die Äußerungen Özdemirs als verzerrend, da das für die heimische Bioethanolherstellung verwendete Futtergetreide für den menschlichen Verzehr qualitativ nicht geeignet sei. Stattdessen werde mit jeder Tonne Bioethanol gleichzeitig rund 1 t hochwertiges, eiweißreiches Futtermittel produziert. Dadurch verringere Deutschland seine Importabhängigkeit von Futtermitteln aus Übersee und stärke zugleich seine Ernährungssicherheit.

Gleichzeitig reduziere die Beimischung von Bioethanol zu Benzin die CO2- Emissionen im Straßenverkehr um etwa 3 Mio. t Tonnen jährlich. „Statt erneuter Verbotsszenarien für die Nutzung nachhaltiger Biokraftstoffe sollte die Bundesregierung einen realistischen Fahrplan vorlegen, wie der Verkehrssektor noch unabhängiger von fossiler Energie - insbesondere Kraftstoffen - werden kann“, forderte Schindler. Voraussetzung dafür sei eine Nationale Kraftstoffstrategie mit konkreten Vorschlägen, beispielsweise zu einer Erhöhung der Beimischungsanteile und zum Abbau regulatorischer Hemmnisse für alle Arten von erneuerbaren Kraftstoffen.
AgE
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