Sie musste sich den Vorwurf gefallen lassen, neben wissenschaftlichen Daten politische Motive als Entscheidungshilfe herangezogen zu haben. Ob derlei Einwände berechtigt sind oder nicht: Forschung und Industrie fordern seit langem mehr Transparenz bei der Begutachtung genmanipulierter Sorten. Ein Prüfsystem aus Mecklenburg- Vorpommern soll nun Klarheit in das Zulassung-Wirrwarr bringen.
Am Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf bei Rostock traf sich eine internationale Expertenrunde, um am Dienstag und Mittwoch über Details des geplanten Bedenklichkeits-Checks zu beraten. «Aigner betreibt keine Hüh-hott-Politik, sie bewertet jeden Einzelfall gründlich», sagte die Rostocker Biologie-Professorin Inge Broer. Strittige Urteile auf ministerieller Ebene wären jedoch weit seltener, gäbe es in Deutschland ein einheitliches Verfahren zur Analyse der Umweltrisiken von Gen-Pflanzen: «Wir brauchen ein System, das mögliche Gefahren früh erkennt.»
Das Verbundprojekt BioOK aus Groß Lüsewitz bei Rostock vereint mehrere Biotechnologie-Firmen mit der Universität Rostock und der Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Quedlinburg (Sachsen- Anhalt). Ziel des Netzwerks, das seit 2005 vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, ist die Entwicklung standardisierter und nachvollziehbarer Schwellenwerte - etwa dazu, wie groß die Menge «schädlicher Stoffe» sein darf, die eine genveränderte Sorte auf dem Acker ausscheidet.
«Bei den bestehenden Verfahren werden viele Daten geliefert, die gar nicht nötig sind», erklärte Broer. Das neue «Indikatoren-Modell» verspreche dagegen als bisher einziges Projekt seiner Art in Europa passgenauere Angaben zu den Folgen menschlicher Eingriffe in das
Erbgut bestimmter Nutzpflanzen. Dabei sollen Stoffwechsel-Werte von «Gen-Gewächsen» mit denjenigen herkömmlicher Pflanzen abgeglichen werden. «Man misst zum Beispiel den Stärkegehalt einer transgenen Kartoffel und setzt das dann zu sechs normalen Sorten in Bezug.»
Wenn eine antragstellende Biotech-Firma über solche Daten vor der Entscheidung der Zulassungsbehörden verfüge, gewinne das Unternehmen Klarheit über die Erfolgsaussichten und könne das eigene Budget schonen, argumentierte Broer. In Einzelfällen dürfte dies die Kosten von 20 bis 50 Millionen Euro auf 1 bis 5 Millionen Euro je Analyse drücken. Vor allem kleinere Züchter hätten neue Wettbewerbschancen, weil sich nicht länger nur Multis wie
BASF oder
Monsanto die nötige Begleitforschung leisten könnten. Dass auch die BioOK GmbH, zu deren Gesellschaftern sie gehört, davon profitieren soll, verhehlt die Biologin keineswegs: «Was wir hier machen, ist Auftragsforschung - gar keine Frage.» Der Öffentlichkeit werde eine verlässlichere Einstufung von Gentechnik-Risiken aber ebenfalls zugutekommen.
Rückenwind für ihr Verfahren bekommen die Wissenschaftler von der Schweriner Landespolitik. Agrarminister Till
Backhaus (SPD), der von
Aigner mehrfach die Festlegung bundesweiter Prüfsteine gefordert hatte, zeigte sich am Dienstag zufrieden mit den Zwischenergebnissen aus Groß Lüsewitz: «Bei diesem emotionalen Thema darf es keinen Anlass zu Misstrauen geben. Darum brauchen wir mehr Aufklärung - Sie haben da einen klaren Auftrag», sagte er an die Adresse von BioOK- Geschäftsführerin Kerstin Schmidt. Trotz des ökonomischen Potenzials ihres Vorhabens versicherte auch Broer, dass es ihr um mehr Offenheit in alle Richtungen gehe. «Das ist wie bei Medikamenten, wo man ja auch über die Nebenwirkungen Bescheid wissen will.» (dpa)