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24.10.2009 | 07:31 | Weltforstkongress 2009 

Waldschutz ist das Bohren dicker Bretter

Buenos Aires - Was ist ein Weltforstkongress?

Waldschutz ist das Bohren dicker Bretter
Wer hier Förster und Waldbesitzer, Politiker und Umweltschützer vertieft in Fachgespräche erwartet, liegt nicht völlig daneben. Auch die symbolische Baumpflanzung durch führende Politiker darf natürlich nicht fehlen. Aber im Vordergrund des 13. Treffens dieser Art in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires steht der Klimawandel. Unter dem Motto «Waldentwicklung - lebenswichtiges Gleichgewicht», zerbrechen sich mehr als 4.500 Fachleute aus aller Welt die Köpfe, wie die Wälder gerettet und damit die Klimakatastrophe vermieden werden kann. Denn die Lage ist katastrophal und lässt sich eher unter dem Motto «Waldzerstörung - ein tödliches Ungleichgewicht» zusammenfassen. Und Waldschutz ist derzeit noch das Bohren dicker Bretter.

«Nach wie vor fallen 36 Fußballfelder Wald pro Minute den Kettensägen der Holzkonzerne und der Brandrodung zum Opfer. Jährlich verlieren wir so 13 Millionen Hektar Wald», sagt Philip Göltenboth, Leiter des Fachbereichs Wald beim WWF Deutschland. Aus der Abholzung der Wälder stammten 20 Prozent aller Klimagase. Manchmal sei die Entwicklung schon erschreckend, gesteht der Biologe ein. «Ich möchte nicht, dass mich meine Kinder eines Tages fragen müssen, was hast Du eigentlich damals gemacht, warum hattest Du ein Auto?»

Der Stand der Umweltorganisation WWF liegt in der großen Messehalle «La Rural» gleich neben dem der nordostargentinischen Provinz Chaco. Auf deren schmucken Stand werden Edelhölzer wie Quebracho und Palo Santo gezeigt, und Gouverneur Jorge Capitanich ist auf einer großen Bildschirmwand zu sehen. Was er sagt, muss man sich denken, denn der Ton ist zu leise und die Geräuschkulisse dutzender weiterer Stände zu laut. Vermutlich preist er seine Provinz als aufstrebende Region mit idealen Investitionsmöglichkeiten für die Forstwirtschaft bei stabilen Verhältnissen und strenger Beachtung der Umweltgesetzes an.

Vor Ort in der 1.000 Kilometer entfernten bettelarmen Provinz sieht das allerdings alles etwas anders aus. Hier walzen immer noch Bulldozer unwiederbringliche Naturwälder nieder, damit dort dann Sojabohnen angebaut werden. «Die zerborstenen Baumstämme, darunter viele Edelhölzer, und alles andere, was im Wald war, wird einfach verbrannt», klagt der Kleinbauer Chala Maldonado. Die Behörden seien bestechlich und würden dem illegalen Treiben tatenlos zusehen.
Maldonados Hof ist noch bewaldet, und im Schutz der Bäume weiden einige Rinder. Aber selbst dort im Schatten klettern die Temperaturen im Sommer auf 50 Grad, außerhalb des Schattens liegen sie bei 70 Grad.

Die meisten seiner Kollegen haben schon den großen Agrarunternehmen Platz gemacht und leben mehr recht als schlecht in den Armutsgürteln großer Städte. In der leer geräumten, flachen Landschaft ziehen unterdessen satellitengesteuerte Traktoren ihre schnurgeraden Ackerfurchen von Horizont zu Horizont. Das Klima ist im Chaco durch den Waldverlust schon viel extremer geworden. «Lange Dürreperioden werden von schweren, heftigen Regenfällen abgelöst», sagt Rolando Núñez vom privaten Zentrum Mandela in der Provinzhauptstadt Resistencia. Bodenerosion in großem Stil ist die Folge.

«Dabei ist Waldvernichtung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch Unfug», sagt Göltenboth. Der WWF habe in mehreren Pilotprojekten weltweit festgestellt, dass die Rodung zwar kurzfristig Profit bringe, aber der Wald langfristig für die Menschen vor Ort viel wertvoller sei. Um diesen wirtschaftlichen Wert der Wälder gerade in ärmeren Ländern noch entscheidend zu erhöhen, setzt der WWF ebenso wie die Bundesregierung auf Zahlungen der reichen Industrieländer. Sie könnten ihre Ziele für einen geringeren Ausstoß gefährlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid nur durch den Kauf von Emissionszertifikaten erreichen, argumentiert Göltenboth. Das Geld für diese Zertifikate würde dann den Ländern zugutekommen, die ihre Wälder erhalten. «Ich bin immer noch optimistisch, sonst könnte ich die Arbeit gar nicht machen», sagt der Berliner. Und ein Auto habe er auch nicht. (dpa)
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