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22.08.2022 | 02:21 | Umweltkatastrophe 
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Fischsterben in der Oder - Scharfe Töne aus Polen

Potsdam / Warschau - Während das Ausmaß des Fischsterbens an der Oder immer deutlicher wird, haben sich am Wochenende weitere Verstimmungen im deutsch-polnischen Verhältnis gezeigt.

Fischsterben
Noch immer ist die Ursache des Fischsterbens an der Oder ungeklärt. Helfer bargen bislang rund 200 Tonnen toter Fische. Und zunehmend belastet die Umweltkatastrophe das deutsch-polnische Verhältnis. (c) proplanta
In Zusammenhang mit einem Untersuchungsergebnis aus Brandenburg erklärte die polnische Umweltministerin, in Deutschland gebe es Falschmeldungen. Polens nationalkonservative PiS-Regierung steht derzeit unter Druck, weil polnische Behörden nur zögerlich auf erste Hinweise zu dem Fischsterben reagierten.

Bis zum Samstag wurden in Polen und Deutschland rund 200 Tonnen toter Fische eingesammelt. Die polnische Feuerwehr bezifferte die Menge am Samstag mit 158 Tonnen. In Brandenburg waren es nach einer früheren Mitteilung des Umweltministeriums mindestens 36 Tonnen. In Polen wurden nach Angaben des Innenministeriums in Warschau zur Bergung der Kadaver mehr als 3.000 Feuerwehrleute, mehr als 2.000 Polizisten sowie 1.300 Soldaten eingesetzt.

Weshalb die Fische verendeten, war am Sonntag weiter unklar. Bei der Suche nach möglichen Ursachen stießen deutsche Behörden auch auf überhöhte Pestizid-Werte. Bei Proben, die an der Messstelle Frankfurt (Oder) in der Zeit vom 7. bis 9. August entnommen wurden, seien hohe Konzentrationen eines Pestizids mit dem Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure gefunden worden, teilte Brandenburgs Umweltministerium mit. Es sei aber davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis nicht unmittelbar tödlich für Fische gewesen sei. Der Wirkstoff wird etwa zur Bekämpfung von Unkraut eingesetzt. Der «Tagesspiegel» hatte zuerst darüber berichtet.

Das Ministerium geht weiter davon aus, dass die Umweltkatastrophe mehrere Ursachen hat. Die überhöhte Konzentration des Pestizids über mehrere Tage habe sicherlich Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen gehabt. Möglicherweise sei das Herbizid am Oberlauf der Oder in noch höheren Konzentrationen vorhanden und am Messpunkt Frankfurt (Oder) bereits stark verdünnt gewesen, hieß es.

Die polnische Regierung sprach nun von Falschmeldungen aus Deutschland. «Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d. h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben», schrieb Umweltministerin Anna Moskwa am Samstagabend auf Twitter. Die Substanzen seien in Fischen nicht entdeckt worden, so Moskwa in einem weiteren Tweet, «Ein ungerechtfertigter Angriff auf die Landwirtschaft. Erst die Industrie, jetzt die Landwirtschaft? Was kommt als Nächstes?»

In Deuschland wurde bemängelt, dass polnische Behörden die international vereinbarten Informationsketten nicht eingehalten hätten. Vertreter der PiS reagierten darauf wiederholt mit antideutschen Tönen.

Etwas Hoffnung machte derweil eine Äußerung des Gebietschefs der Woiwodschaft Westpommern, Zbiegniew Bogucki. Demnach seien wieder lebende Fische zu sehen. «Dort, wo wir vor ein paar Tagen tonnenweise tote Fische geborgen haben, sind jetzt lebende Fische aufgetaucht», schrieb Bogucki am Samstag auf Twitter.

Aufgrund von Sauerstoffmangel im Wasser seien aber viele Fische kurz vor dem Ersticken und würden nahe der Oberfläche schwimmen. Dazu postete der Politiker ein Video, in dem dies zu sehen war. Er habe sich an die örtliche Feuerwehr gewandt, damit diese versuche, das Wasser mit Pumpen zu belüften, schrieb Bogucki in einem weiteren Tweet.

In der zu Westpommern gehörenden Hafenstadt Stettin installierte die Feuerwehr am Sonntag an drei an einem Arm der Oder gelegenen Stellen Pumpen, um das Wasser zu belüften. Der Sauerstoffgehalt der Oder falle weiterhin, begründete ein Sprecher der Woiwodschaft Westpommern die Maßnahme. In der weiter südlich gelegenen Woiwodschaft Lebus wurden am Sonntag nach Angaben der Feuerwehr keine verendeten Fische mehr gefunden.

Das massenhafte Fischsterben im Grenzfluss Oder war auf deutscher Seite am 9. August bekannt geworden. Die Suche nach der Ursache gestaltet sich schwierig. Wissenschaftlern zufolge könnte eine giftige Algenart ein Faktor für das Fischsterben sein. Darüber hinaus werden verschiedene andere Stoffe untersucht.

Mecklenburg-Vorpommern hatte am Freitag mitgeteilt, dass bei Untersuchungen von Proben im deutschen Teil des Stettiner Haffs, in das die Oder mündet, keine Auffälligkeiten festgestellt worden seien.

Mit einer Kunstaktion machte derweil die neu gegründete Bürgerinitiative «Save oder die» auf das massenhafte Fischsterben in der Oder aufmerksam. Am Samstagabend wurde der Oder-Altarm am Ufer des Dorfes Kienitz in rotes Scheinwerferlicht getaucht. Für den 4. September ruft die Bürgerinitiative zu einer Menschenkette an der Oder auf. Anwohner, Schulklassen und andere Bürger sollten mit Musikinstrumenten zu einem großen Konzert an den Fluss kommen.
dpa
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Kommentare 
A. Fischer schrieb am 22.08.2022 09:42 Uhrzustimmen(16) widersprechen(8)
Der Spiegel schreibt:

"Bei Proben, die an der Messstelle Frankfurt (Oder) in der Zeit vom 7. bis 9. August entnommen wurden, seien hohe Konzentrationen eines Pestizids mit dem Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure gefunden worden.

Es sei aber davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis
nicht unmittelbar tödlich (nie bezpośrednio śmiertelnie)
für die Fische gewesen sei "

Ich kann nur schreiben, ich will diesen Stoff nicht einmal in homöopathischer Dosierung im Wasser, im Boden, verehrte
Umweltministerin Anna Moskwa.

"Während des Vietnamkrieges waren Ester der 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure die Wirkstoffe der Entlaubungsmittel Agent Purple und Agent White.[1] Die n-Butylester von 2,4-D und der strukturverwandten 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) waren im Verhältnis 1:1 in dem Entlaubungsmittel Agent Orange enthalten. 2,4-D enthält Spuren von Dioxinen, allerdings überwiegen die vergleichsweise wenig giftigen Kongenere 2,7-Dichlordibenzodioxin und 2,8-Dichlordibenzodioxin. Die Dioxinbelastung durch Agent Orange ging vor allem von 2,4,5-T aus, das Spuren des hochgiftigen Kongeners 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin enthielt.[7]"
Aus:
https://www.chemie.de/lexikon/2%2C4-Dichlorphenoxyessigs%C3%A4ure.html
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