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27.11.2022 | 07:12 | Nitratbelastung 

Ein Drittel der Agrarfläche Nordrhein-Westfalens wird Rotes Gebiet

Düsseldorf - In Nordrhein-Westfalen kommen künftig auf deutlich mehr Landwirte strengere Anforderungen hinsichtlich der Düngung zu

Düngeregeln
Jetzt mehr als 500.000 Hektar als nitratbelastet eingestuft - Gorißen: Die Erweiterung der Roten Gebiete trifft die Bauern hart. (c) proplanta
Nach anderen Bundesländern hat am Donnerstag (24.11.) auch das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium eine Neufassung der Landesdüngeverordnung vorgelegt. Demnach steigt der Umfang der als nitratbelastet eingestuften landwirtschaftlichen Flächen von aktuell rund 165.000 ha auf mehr als 500.000 ha, was rund einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) in dem Bundesland entspricht.

Laut Ministeriumsangaben sieht eine zentrale Vorgabe vor, dass in diesen Gebieten der Düngebedarf um etwa 20 % verringert werden muss. „Die Erweiterung der Roten Gebiete trifft die Bäuerinnen und Bauern hart“, räumte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen ein. Sie versprach in Richtung des Berufsstandes zugleich, die Landwirte nicht allein zu lassen. „Wir brauchen eine leistungsfähige und wettbewerbsstarke Landwirtschaft, gerade im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherung müssen Hand in Hand gehen“, betonte die CDU-Politikerin. Die Verordnung über besondere Anforderungen an die Düngung in Nordrhein-Westfalen wird am 30. November veröffentlicht und tritt am 1. Dezember 2022 in Kraft. Die neue Gebietskulisse und die betroffenen Feldblockflächen sind laut Agrarressort ab dann unter www.elwasweb.nrw.de oder betriebsindividuell über das Düngeportal der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen unter www.duengeportal-nrw.de abrufbar.

Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) stellte in einer ersten Reaktion fest, dass der Unmut unter den Landwirten riesig sei. Nach Einschätzung des Präsidenten vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV), Bernhard Conzen, geht die Neuausweisung der nitratbelasteten Gebiete an der Realität vorbei.

Keine einzelbetriebliche Differenzierung

WLV-Präsident Hubertus Beringmeier betonte, dass die Verdreifachung der vermeintlich belasteten Fläche innerhalb eines Jahres „für uns ein nicht nachvollziehbarer Vorgang“ sei. „Das Verfahren ist nicht verursachergerecht und berücksichtigt in keiner Weise die Bestrebungen vieler Betriebe, die seit langem schon eine besonders gewässerschonende Wirtschaftsweise sicherstellen“, beklagte der WLV-Präsident.

Kritik übte der Landesbauernverband an der Fokussierung auf die Messstellen, da deren Anzahl keine einzelbetriebliche Differenzierung hinsichtlich der Nitratsituation im Grundwasser leisten könne. Zudem verwies er auf das vom Land entwickelte wissenschaftlich fundierte Modell, das den aktuell erforderlichen Minderungsbedarf an Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft detailliert aufzeige. Für die Beibehaltung dieses Verfahrens habe sich die Landesregierung auch stark eingesetzt.

Beringmeier monierte, dass die Verantwortlichen in Brüssel von den Bauernfamilien stets Offenheit gegenüber Innovationen und digitalen Lösungen forderten. Das verlangten die Landwirte dann aber auch von der EU-Kommission. Dem WLV zufolge sind etwa 7.000 landwirtschaftliche Betriebe in Westfalen-Lippe von den neuen Messergebnissen akut betroffen.

„Faktische Sippenhaft“

Conzen kritisierte ebenfalls die Forderung der EU, bei der Gebietsausweisung den Fokus einseitig auf Messstellen zu legen. Auch für ihn ist das Messtellensystem allenfalls geeignet, sich einen Überblick zur Beschaffenheit der Qualität des Grundwassers zu verschaffen. Keinesfalls tauge ein auf Messstellen bezogenes grobes Raster dazu, kleinräumig einzelbetriebliche Auflagen festzulegen. In manchen Gebieten lägen die für die Einstufung berücksichtigten Messstellen mehrere Kilometer von der bewirtschafteten Fläche eines Landwirts entfernt.

Dieser werde durch die jetzt von der EU erzwungenen Vorgaben „faktisch in Sippenhaft“ genommen, obwohl der Einfluss seiner aktuellen Bewirtschaftungspraxis auf das Messergebnis nicht belegbar sei. Conzen monierte zudem, dass im Zeitalter der Digitalisierung Europa anders als in vielen anderen Bereichen an analogen Messstellen festhalte und damit massive Eingriffe in die Bewirtschaftung begründe. „Diese Willkür muss ein Ende haben“, forderte der RLV-Präsident.
AgE
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