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28.10.2023 | 08:17 | Der «ewige Minister» 

MV-Agrarminister Till Backhaus 25 Jahre im Amt

Schwerin - Es ist wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Am 3. November 1998 legte Till Backhaus zum ersten Mal den Amtseid als Agrarminister Mecklenburg-Vorpommerns ab.

Jubiläum Till Backhaus
Wie die politischen Karrieren von Gregor Gysi, Joachim Gauck oder Peter-Michael Diestel begann auch die von Till Backhaus 1990 in der letzten DDR-Volkskammer. Danach wechselte der SPD-Politiker aus MV in die Landespolitik, wurde in Schwerin Minister - und blieb es. (c) Till-Backhaus.de
Seit 25 Jahren bekleidet der umtriebige SPD-Politiker nun ununterbrochen dieses Ministeramt. Damit ist der heute 64-Jährige mit Abstand dienstältester Landesminister Deutschlands. Und auch in der Geschichte der Bundesrepublik hielt sich niemand länger im Ministersattel. Zum Vergleich: Im benachbarten Schleswig-Holstein etwa wurden im zurückliegenden Vierteljahrhundert neun Agrarminister berufen.

«Ich bin immer authentisch geblieben. Und als Agraringenieur habe ich auch eine fachliche Basis für dieses Amt mitgebracht, das ich bis heute mit Herzblut ausübe», zählt Backhaus Gründe auf, die ihm aus seiner Sicht zu dieser Rekordamtszeit verhalfen. Doch wird nicht nur diese mit seinem Namen verbunden bleiben, sondern auch das mit 63 Buchstaben offiziell längste deutsche Wort: Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. 1999 von ihm in den Landtag eingebracht, wurde es 2013 wieder aufgehoben.

Wie viele Politiker seiner Generation fand Backhaus mit dem Wendeherbst 1989 den Weg in die Politik. Er gehörte zu den ersten SPD-Mitgliedern in Ostdeutschland, wurde 1990 in die letzte DDR-Volkskammer und kurz danach in den Schweriner Landtag gewählt. Dort sitzt er bis heute, als einzig verbliebener Landtagsabgeordneter der ersten Stunde.

Stets ausgestattet mit dem Direktmandat seines Wahlkreises im Südwesten Mecklenburgs, nicht weit weg von seinem Geburtsort Neuhaus, der heute allerdings zu Niedersachsen gehört. Das Vertrauen der Menschen müsse man sich immer wieder neu verdienen. «Ich habe nie vergessen, woher ich komme», sagt Backhaus. Dass er sich in seiner Heimatregion auch gern bei der Übergabe von Fördermittelbescheiden zeigt, mag das Bild des Kümmerers gefestigt haben. «Ich hatte den Eindruck, Till kennt alle - und alle kennen Till», erinnert sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) an einen frühen gemeinsamen Wahlkampftermin. «Seine große Stärke ist, dass er mit all seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe spricht.»

Seit 2012 ist Backhaus in dritter Ehe mit einer Rostocker Zahnärztin verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Die Familie gebe ihm den nötigen Rückhalt für seinen fordernden Job. Nach eigenen Angaben hatte er die frühere Schönheitskönigin auf einer Agrarmesse kennengelernt. Aus erster Ehe stammt eine längst erwachsene Tochter.

Backhaus ist viel im Land unterwegs, sofort vor Ort, wenn der Wald brennt, die Flut die Küsten bedroht, die Bauern die Milch nur noch zu Dumpingpreisen loswerden, der erste Spargel gestochen wird. Die stete Präsenz brachte dem rastlosen Minister, der heute für Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz Verantwortung trägt, höchste Popularität ein. Sein Arbeitseifer ist legendär, die Erwartungen an Mitarbeiter - so hört man - sind fast grenzenlos und gefürchtet seine Wutausbrüche.

Auch wenn das Verhältnis zur Bauernschaft etwas abgekühlt zu sein scheint, so erwies sich der promovierte Agraringenieur doch stets als Sachwalter bäuerlicher Interessen. Dafür legte er sich auch schon mal mit EU-Kommissaren oder Bundesministern an. Das musste jüngst auch Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) erfahren, mit dessen Plänen zur Begrenzung der Tierhaltung Backhaus nicht einverstanden ist.

«Wenn wir die Grundversorgung mit deutschen Produkten gewährleisten wollen, gehören dazu auch Schweine- und Rinderställe», meint Backhaus und verweist auf den wachsenden Anteil von Bioproduzenten. «Wir in Mecklenburg-Vorpommern stehen an der Spitze der Bewegung», verkündet er selbstbewusst und begründet dies mit 25 Prozent ökologisch wirtschaftender Agrarbetriebe im Land. Bundesweit sind es 14 Prozent.

Der Umweltschutzorganisation BUND geht der Umbau aber zu langsam. «Wir brauchen ein Kompetenzzentrum, das den Bauern bei der Umstellung hilft», sagt BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag. Zudem beklagt sie, dass die frühere Ost-West-Grenze als heutiges Grünes Band im Nordosten noch immer nicht als Nationales Naturmonument ausgewiesen ist. Andere Bundesländer hätten dies längst gemacht. Lob gibt es für den von Backhaus initiierten Hafen vor Prerow, mit dessen Bau der Naturschutz am Darß verbessert werde. Mehr Engagement fordert Cwielag von Backhaus beim Waldumbau und bei der Energiewende.

Auch der Landesbauernverband zieht eine gemischte Bilanz. «Viel Hell, aber auch einiges Dunkel», fasst Bauernpräsident Detlef Kurreck die Arbeit des Ministers zusammen. Die drastischen Beschränkungen für die Düngerausbringung auf vielen Äckern etwa hätten das Verhältnis schon belastet. Doch billigt Kurreck Backhaus zu, den Bauern in den Jahren schwieriger Anpassungsprozesse stets zur Seite gestanden und immer Klartext geredet zu haben. «Er spricht die Dinge offen an, vermeidet das sonst übliche Politikersprech. Das kommt bei den Leuten an, lässt ihn aber auch immer wieder in Fettnäpfchen tappen», sagt Kurreck.

So sorgte Backhaus jüngst mit seiner Aufforderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), einen Weltfriedensgipfel zu initiieren, für Diskussionen und vielfaches Kopfschütteln. Kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges schlug er vor, Russland den EU-Beitritt anzubieten. Das brachte ihm massive Kritik ein, wie auch die als beleidigend gewerteten Äußerungen zur Grüne-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang.

Sein zuweilen überschäumendes Temperament war es wohl auch, das ihm den angestrebten Aufstieg zum Amt des Ministerpräsidenten verbaute, der mit der Übernahme des SPD-Landesvorsitzes 2003 geebnet schien. Nach einem von vielen kritisierten Krisenmanagement während eines großflächigen Ausbruchs der Vogelgrippe gab er 2007 den Parteivorsitz ab - nach seiner Darstellung, um den gewachsenen Anforderungen als Agrar- und Umweltminister besser gerecht werden zu können.

Nun dient er unter dem dritten Regierungschef, der eine Chefin ist und nach deren Bekunden das Kabinett sehr von den Erfahrungen ihres mit Abstand dienstältesten Mitglieds profitiert. «Till Backhaus kann aus dem Stand zu fast jedem Thema aus den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt kompetent Auskunft geben. Das schätze ich sehr an ihm», sagt Ministerpräsidentin Schwesig und räumt ein, von Backhaus auch noch überrascht werden zu können. Auch nach 25 Jahren sei er offen für neue Ideen und gehe mit großer Leidenschaft an seine Aufgaben.

Man könnte daraus schließen, dass den 25 noch viele weitere Minister-Jahre für Backhaus folgen. Die aktuelle Legislaturperiode endet 2026. Und danach? «Diese Frage stellt sich für mich derzeit nicht», ist die kurze Antwort des «ewigen Ministers».
dpa/mv
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