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30.10.2006 | 08:39 | Bioprodukte 

US-Biobranche boomt und ringt um Nachschub - Opfer des Erfolgs

Washington - Ein Abend mit dem US-Fernsehen bietet ausreichend Hinweis, weshalb die Amerikaner als dickstes Volk der Welt gelten:

Fast Food
(c) proplanta
Sandwich-Ketten wetteifern in der Werbung um den mächtigsten Fleisch-klops, Huhn kommt meist paniert daher, und je mehr Käsebelag auf der Pizza glänzt, umso besser. Doch ist auch eine Gegenbewegung längst im Gange: Denn zugleich boomt in den USA der Markt für Bioprodukte, inzwischen sind auch der Einzelhandelsgigant Wal-Mart oder der Nahrungsmittelkonzern Kellogg auf den fahrenden Zug aufgesprungen, sehr zum Missfallen eingefleischten Bio-Anhänger.

Allmählich scheint die Branche Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden: Wegen rasanter Nachfrage wird der Nachschub knapp. Aus dem kleinen Nischenangebot für Okö-Bewegte ist in den USA inzwischen Big Business geworden. Zwar macht der Anteil naturbelassener Milch oder pestizidfreien Gemüses derzeit mit rund 14 Milliarden Dollar (11 Mrd Euro) nur 2,5 Prozent des gesamten Nahrungsmittelmarkts in den USA aus. Doch sind die Zuwachsraten beachtlich.

Nach Angaben des Branchenverbandes OTA hat sich das Verkaufsvolumen in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, der Markt wächst im Jahr um etwa 16 Prozent - Riesenschritte im Vergleich zu konventioneller Kost, die um ein gemächliches Plus von jährlich 2 bis
4 Prozent dahindümpeln. In einer OTA-Erhebung gab mehr als die Hälfte der befragten Branchenmitglieder an, sie könnten wohl mehr Bioprodukte verkaufen, würde die Versorgung nur schritthalten.

Um den wachsenden Appetit der Amerikaner auf gesunde Nahrung zu stillen, muss inzwischen organisches Milchpulver aus Neuseeland importiert werden. Produzenten schauen sich in Brasilien oder China nach geeigneten Rohstoffen um. Und wie die Kühe macherorts für die begehrte Biomilch gehalten werden, erinnert Puristen inzwischen an die geschmähten Zustände der Massenproduktion.

Von den mehr als neun Millionen Milchkühen in den USA entsprechen weniger als 150 000 den Anforderungen für das staatliche Öko-Siegel, nach denen unter anderem Pestizide, Hormone, Antibiotika oder Kunstdünger tabu sind. Und nur 20 000 der rund 1,7 Millionen US-Bauern gelten als biotauglich.

«Die großen Einzelhändler und Hersteller senken die Maßstäbe, indem sie aus Übersee importieren und die Produktionsstandards verwässern», kritisiert Ronnie Cummins, Chef des Verbandes der Verbraucher von organischen Lebensmitteln OCA. Biologisch angebaute Lebensmittel um die halbe Welt zu transportieren, sei schlicht nicht organisch. «Die Zeiten sind gut für Bioprodukte, aber die Zeit der Unschuld ist vorbei.» Die Zeitschrift «BusinessWeek» bringt es auf den Punkt: «Die Anhänger der Bewegung haben Erfolg, der ihre kühnsten Träume übertrifft, aber der Erfolg gefährdet ihre Ideale.»

Lobbyist Cummins schiebt der Politik den Schwarzen Peter für die Engpässe zu: «Das Landwirtschaftministerium bietet Bauern, die auf biologischen Anbau umsatteln wollen und dafür etwa drei Jahre lang auf Unterstützung angewiesen sind, so gut wie keine Hilfen.» Gerade einmal eine Million Dollar pro Jahr halte Washington dafür vor.

«In Europa würde man das angesichts der Nachfrage nach Biokost schlicht verrückt nennen.» Sein Verband fordere daher für wechselwillige Landwirte einen «fairen Anteil» von jenen Milliardensummen, die der Staat US-Bauern Jahr für Jahr an Subventionen zahlt. «Das würde die Nachschubprobleme lösen», ist sich Cummins sicher.

Quelle: dpa 30.10.2006 / 1:32
© dpa 


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