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15.06.2023 | 16:26 | Kollege Hund 

Wenn der Bürohund zum Wohlfühlfaktor wird

Saarbrücken/Berlin - Bevor man zum Gespräch ins Büro des Geschäftsführers des IT-Unternehmens Consistec in Saarbrücken darf, gibt es erst eine Kontrolle durch die «Sicherheitschefin».

Bürohund
Der Tierschutzbund ruft am Donnerstag zum Aktionstag «Kollege Hund» auf. Firmen sollen ihren Mitarbeitern erlauben, ihre Vierbeiner mit ins Büro zu bringen. In der Software-Firma Consistec in Saarbrücken ist das seit 20 Jahren selbstverständlich. (c) proplanta
Doch es braucht nur wenige gemeinsame Momente im Besprechungszimmer, dann hat «Chief Security Officer» Peppa keine Probleme mehr mit fremden Besuchern. Völlig entspannt liegt sie vor dem Schreibtisch ihres Chefs: Peppa ist eine spanische Mischlingshündin und der Vierbeiner von Geschäftsführer Thomas Sinnwell. Schon vor 20 Jahren hatte der ihre Vorgängerin Luna mit in seine Firma gebracht. Also zu Zeiten, als noch niemand davon sprach, welche Wirkung Hunde für die Arbeitswelt haben können und als es noch keine Tage des Bürohundes gab.

Doch das Recht, seinen Hund mit zur Arbeit bringen zu dürfen, obliegt nicht allein dem Chef: Das darf jeder der 40 Mitarbeitenden. Und sechs machen davon auch regelmäßig Gebrauch. «Wenn ich alleinstehend bin und einen Hund habe, ist das natürlich ein Jackpot», sagt Sinnwell. Aber er glaubt nicht, dass dies der ausschlaggebende Grund für Bewerber wäre, sich für seine Firma zu entscheiden.

Und es ist auch keine Taktik, um sich für neue Mitarbeiter interessant zu machen. «Für uns sind Hunde im Büro eher ein Bestandteil eines sehr teamorientierten, fast familiären Betriebsklimas. Ein Wohlfühlfaktor», meint der 57-Jährige. Und davon profitiere nicht nur jeder Einzelne, sondern auch die Gemeinschaft: «Es hilft den Hundebesitzern, ihre Work-Life-Balance, ihren Alltag besser gestalten zu können, und für das Unternehmen ist es schön, weil es ein Baustein ist, um das Klima zu verbessern.»

Denn in den vielen Jahren, in denen Hunde Teil des Bürolebens von Consistec seien, habe er die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter automatisch rücksichtsvoller würden, wenn die Vierbeiner dabei seien: «Wenn man kontroverser Meinung ist und heftiger diskutiert, kann man das sofort an der Reaktion des Tieres sehen. Das hilft, dass man sich zurücknimmt und alle Beteiligten weniger aufgeregt und etwas zielgerichteter kommunizieren.»

Denn die Hunde laufen nicht nur wie selbstverständlich durch Büros und Flure, sondern nehmen auch an Besprechungen oder dem gemeinsamen Mittagstisch teil. Immer vorausgesetzt, es sind keine fremden Besucher da und keiner aus dem Team hat Probleme damit. «Auch auf Allergien oder Ängste würden wir natürlich Rücksicht nehmen», sagt Sinnwell. Die jedoch habe niemand. Problematisch könne es nur dann werden, wenn man sich selbst konzentrieren oder ein wichtiges Telefonat führen wolle. Dann könne Gebell störend wirken.

Doch selbst die Nicht-Hundebesitzer befürworten die tierische Ergänzung. «Das ist schon eine Bereicherung», meint Vertriebsleiterin Pia Rink. «Meistens ist es so: Wenn der Hund auf dich zukommt und sich freut, egal wie schlecht es dir geht oder wie viel Stress du hast: Dann hast du automatisch gute Laune.»

Wie gut der Einfluss von Hunden auf Menschen ist, ist laut Bundesverband Bürohund in Berlin wissenschaftlich bewiesen. Durch die Anregung der Produktion des Bindungshormons Oxytocin im menschlichen Organismus hätten sie positiven Einfluss auf die psychische und körperliche Gesundheit und lieferten einen Schutz vor Burnout. Zudem verbesserten Hunde im Büro das Engagement, die Motivation, die Loyalität, die Kreativität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Und das Thema gewinne in den zehn Jahren, in denen es den Bundesverband gebe, immer mehr an Bedeutung. «Allein in den letzten drei Jahren haben sich die Anfragen vervierfacht», sagt der Vorsitzende Markus Beyer. Dies habe jedoch nicht nur etwas mit dem Recruiting von Mitarbeitern zu tun, sondern könne auch Teil eines Gesamtkonzept zur Stärkung der Resilienz sein. Vorausgesetzt, es herrschten bestimmte Regeln. «Wenn ein Chef meint: «Wenn die Mitarbeiter ihre Köter mitbringen wollen und wir dadurch mehr Bewerbungen bekommen, dann lassen wir das eben zu» - dann kann das nicht funktionieren», ist Beyer überzeugt.

Der Deutsche Tierschutzbund sieht Hunde am Arbeitsplatz ebenfalls nicht als Problem an - sondern findet diese Entwicklung gut. Der Hund müsse nicht über viele Stunden allein zu Hause warten und könne mehr Zeit mit seinem Menschen verbringen. Das Risiko, dass Hunde aufgrund von Zeitmangel im Tierheim abgegeben würden, sinke.

Bei Consistec jedoch sind die Hunde Teil des Teams - auch im Unternehmensfilm auf der Homepage. Dort sind neben «Chief Security Officer Peppa» noch drei weitere Hunde zu sehen - darunter auch Border Collie Lilly, die ihre Bezeichnung «Head of Happiness» zu Recht trägt. Denn wo die fröhliche Hündin des Softwareentwicklers Patrick Michel auftaucht und ihre Streicheleinheiten abholt, erhellen sich die Gesichter der Kollegen. Und nicht nur er selbst freue sich, seine Hündin den ganzen Tag bei sich haben zu können, sondern auch Lilly selbst komme gerne zur Arbeit, sagt der 42-Jährige: «Dann steht sie schon immer schwanzwedelnd vor der Tür!»

Nicht alle Hunde sind so sozial verträglich und verstehen sich automatisch mit allen anderen. Doch auch dafür gibt es unkomplizierte Lösungen. Und manchmal unterstützen sich die vierbeinigen Kollegen sogar gegenseitig: Die Malinoi-Hündin Bella, die aus dem Tierschutz stammt, war am Anfang so unsicher, dass sie sie zunächst nicht mit ins Büro mitnehmen konnte, wie die Leiterin der Buchhaltung, Silke Gwizdek, berichtet. «Peppa hat ihr mit ihrer ruhigen Art sehr geholfen», sagt Thomas Sinnwell. «Wenn sie sich hinlegte, wusste Bella: Alles ist gut und auch sie muss keinen Stress haben.»
dpa/lrs
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