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31.05.2011 | 17:20 | Was ist die EHEC-Infektionsquelle? 

EHEC: Auch Tiere kommen als Überträger in Betracht

Berlin/Münster - Bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Ausbruchs halten Experten auch eine Übertragung über Tiere theoretisch für denkbar.

EHEC-Erreger
«Es könnten Tiere infiziert sein. Es können aber auch Menschen als Überträger in Betracht kommen», sagte Prof. Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster (UKM) am Dienstag. Diese Möglichkeiten müssten nun überprüft werden. Möglicherweise könnten Menschen den Keim in sich tragen, ohne dass es zum Ausbruch komme. Es müsse auch der Frage nachgegangen werden, ob entlassene EHEC-Patienten den Keim noch weiter ausscheiden.


Die Suche nach der EHEC-Infektionsquelle beginnt vorn vorne

Der auf spanischen Gurken in Hamburg entdeckte Erreger hat die Erkrankungswelle offenbar nicht ausgelöst. Das habe eine Laboruntersuchung bei zwei der drei sichergestellten Gurken ergeben, sagte die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag. «Nach wie vor ist die Quelle nicht identifiziert.»

Es zeigte sich bei beiden Proben keine Übereinstimmung mit dem grassierenden Erreger des Typs O104, der aus Stuhlproben von Patienten isoliert wurden. Nach Angaben der Senatorin wurden jedoch andere EHEC-Erreger auf den Gurken aus Spanien nachgewiesen. Die Ergebnisse zweier weiterer Proben lägen noch nicht vor.

Nach Ansicht von Prüfer-Storcks war es richtig, die Untersuchungsergebnisse vor einigen Tagen zu veröffentlichen. «Denn die Verunreinigungen können sehr wohl EHEC auslösen.» Der Schutz von Leben müsse wichtiger sein als wirtschaftliche Interessen.

Solange die Ursache des EHEC-Ausbruchs unklar ist, gilt laut Prüfer-Storcks weiter die Warnung des Robert Koch-Instituts. Die Behörde hatte empfohlen, Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu essen. Im Hamburger Hygiene-Institut würden auch viele weitere Lebensmittel untersucht.

Spanien forderte die sofortige Wiederaufnahme des kompletten Handels mit spanischem Gemüse. «Nun zeigt sich, dass spanische Gurken nicht der Auslöser der EHEC-Infektionen waren», sagte die spanische Agrarministerin Rosa Aguilar am Dienstag in Debrecen (Ungarn).

Ihr Land wolle auf EU-Ebene Entschädigungen für alle europäischen Landwirte verlangen, die wegen EHEC Verluste haben, hatte die Ministerin am Morgen angekündigt. Bei den Produzenten in Spanien hätten die Unterstellungen einen Schaden von wöchentlich 200 Millionen Euro angerichtet. «Wir sind enttäuscht von der Art, wie Deutschland mit dieser Krise umgegangen ist.»

Die Ministerin betonte, dass niemand in ihrem Land an EHEC erkrankt sei. Auch dies zeige, dass die Ursache nicht in Spanien liegen könne. Es gebe nur zwei infizierte Spanier, die sich bei einer Reise in Deutschland angesteckt hätten.

Damit fängt die Suche nach der Infektionsquelle wieder bei Null an. Möglicherweise hilft dabei ein neuer Schnelltest aus Münster. Er kann den lebensgefährlichen Darmkeim innerhalb von vier Stunden bis zu einem Tag nachweisen - sowohl bei Patienten mit Durchfall als auch auf Gemüse. «Es ist ein Werkzeug für die Suche nach der Quelle», sagte ein Sprecher des Universitätsklinikums Münster. Es sei speziell auf den aktuell grassierenden EHEC-Stamm zugeschnitten. Den Test könne jedes molekularbiologische Labor machen.

Die Zahl der Todesopfer in Deutschland stieg auf 15 - davon sind 13 Frauen. Inzwischen gibt es bundesweit mehr als 1.500 EHEC-Infektionen und Verdachtsfälle, vor allem im Norden.

Allein in Hamburg wurden bisher fast 600 EHEC- und Verdachtsfälle gemeldet. Viele Patienten leiden unter einem besonders schweren Verlauf, dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Es kann unter anderem zu Nierenversagen und Hirnschäden führen.

Die Versorgung der EHEC-Patienten sei in Deutschland nach wie vor gesichert, die Lage bleibe aber angespannt, sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Rande des Ärztetags in Kiel.

Das EHEC-Bakterium breitet sich auch im Ausland weiter aus. Nach Angaben der EU-Kommission sind aber nur Menschen betroffen, die jüngst in Deutschland waren - oder Deutsche im Ausland. In Schweden starb eine Frau, die zuvor eine Deutschland-Reise gemacht hatte, an dem Darmkeim. Sie ist das erste Todesopfer außerhalb Deutschlands.

In Schweden gibt es nach Angaben der dortigen Behörden etwa 40 bestätigte EHEC-Fälle, in Dänemark erhöhte sich die Zahl der Kranken auf mindestens 14. Aus Norwegen wurde eine Erkrankung gemeldet. Der EU-Kommission lagen zum Teil noch niedrigere Zahlen vor.

In der Schweiz erkrankte eine Frau. Laut EU-Kommission zählten die Behörden in den Niederlanden 7 Verdachtsfälle und in Großbritannien 3 mögliche HUS-Fälle. Auch in Frankreich gebe es 6 Erkrankte. Amerikaner sollen sich ebenfalls mit dem Keim angesteckt haben.

Und wie gehen die Deutschen mit EHEC um? Jeder Zweite will wegen EHEC vorübergehend auf rohes Gemüse verzichten. Rund zwei Drittel haben mit Blick auf den Darmkeim keine erhöhte Angst um ihre Gesundheit. Ein gutes Drittel (36 Prozent) macht sich aber Sorgen, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab. Es hatte 1.075 Menschen im Alter von mindestens 18 Jahren in Deutschland befragt.

Deutsche Bauern leiden weiterhin unter den Auswirkungen der EHEC-Welle. Eine der größten Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse bundesweit, die Mecklenburger Ernte, stellte die Gemüseernte ein. Obwohl alle Salate und Gemüse nachgewiesenermaßen frei von dem gefährlichen EHEC-Darmkeim seien, nehme der Handel ab, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Klaus-Dieter Wilke. «Die Lage für die Erzeuger verschärft sich weiter.» (dpa)
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