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06.02.2007 | 12:01 | Meeresorganismen  

Mit Bohrinseln eingeschleppt: Meeresorganismen können Gefahr sein

Kiel (dpa) - Sie dringen in neue Lebensräume ein und wollen sich in fremden Ökosystemen ansiedeln: Fremde Algen, Miesmuscheln und andere Meeresorganismen aus fernen Ozeanen können zum Beispiel in der Ostsee heimische Arten bedrängen.

Bohrinsel
(c) Angelo Giampiccolo - fotolia.com
Ein Team von Studenten hat im Rahmen eines internationalen Projektes jetzt erstmals untersucht, wie sich ganze Gemeinschaften ausgewachsener und fortpflanzungsfähiger Organismen verhalten, wenn sie in einen neuen Lebensraum gebracht werden. Zu der Gruppe gehören auch Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) an der Universität Kiel.

«Weltweit haben wir in den Meeren eine Verschleppung von Arten», erläutert der Biologe Mark Lenz, Koordinator des Projektes beim IFM- GEOMAR. Fahren Schiffe von einem Hafen zum anderen oder werden beispielsweise Ölplattformen oder andere Konstruktionen von einem Standort zu einem anderen transportiert, so «reisen häufig Organismen - meist sind es wirbellose Tiere - als 'blinde Passagiere' mit».

Erreichen sie dann ihre neue Umgebung, können sie sich, wenn die Bedingungen für sie günstig sind, dort ausbreiten mit möglicherweise dramatischen Konsequenzen für das Ökosystem in dieser Region.

Während bisher von Forschungen zu «biologischen Invasionen» lediglich einzelne Arten oder nur deren Larven untersuchten wurden, haben die Studenten erstmalig beobachtet, wie sich ganze Gemeinschaften von ausgewachsenen Organismen nach der Übersiedlung in einen neuen Lebensraum verhalten. «Die Versuchsanordnung sah eine zeitgleiche Umsetzung der Experimente auf der Südhalbkugel vor, sechs Monate später auch auf der Nordhalbkugel», schildert Lenz. Standorte waren Australien, Brasilien, Chile, Neuseeland, Großbritannien, Finnland, Japan, Malaysia und Portugal. Dies sei ein bisher einmaliges Konzept in der ökologischen Forschung, sagt Lenz.

In den jeweiligen Küstenregionen wurden Plastik-Ringe mit so genannten Besiedlungsplatten im flachen Wasser verankert, auf denen wirbellose, festsitzende Meeresorganismen («Aufwuchsgemeinschaften») wachsen konnten. «Nach zwei und vier Monaten haben wird die Gemeinschaften dann an neue Standorte in der gleichen Region gebracht», erläutert der Biologe. So gelang es den Studenten, den Transport der Organismen auf Schiffsrümpfen zu simulieren.

Das Ergebnis war an allen Versuchsorten gleich: Ältere Gemeinschaften, die rund vier Monate auf den Platten wuchsen, waren stabiler als jüngere und konnten an den neuen Standorten ihre Struktur über längere Zeit erhalten. Demgegenüber verfügten die meisten jüngeren Gemeinschaften, die nur zwei Monate alt waren, nicht über die gleiche Stabilität. Schnell konnten die «alteingessenen Arten» in ihrem angestammten Lebensraum die eingeschleppten Organismen verdrängen.

Das Fazit des Wissenschaftlers: «Je länger eine Gemeinschaft an einem Standort überdauern kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich einzelne Organismen, die zu ihr gehören, fortpflanzen, ihre Larven ins Wasser entlassen und dann möglicherweise ein neues Gebiet besiedeln. Daher geht von stabileren Gemeinschaften eine größere Gefahr aus».

In der Praxis könnte dies bedeuten, zunächst das Alter von Aufwuchs-organismen zu berücksichtigen, wenn schwimmende Konstruktionen von einem Standort zum anderen im Meer transportiert werden. «An Plattformen, beispielsweise, die lange an einem Standort waren, befinden sich sehr alte Aufwuchsgemeinschaften, die sehr stabil sein können und ein entsprechend großes Risiko darstellen».

Quelle: dpa 05.02.2007
© dpa
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