Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
30.10.2019 | 15:35 | Naturschutzauflagen 

Insektenschutz verursacht neuen Streit in der Bundesregierung

Berlin - In der Bundesregierung gibt es neuen Streit über den Insektenschutz in der Landwirtschaft.

Insektenschutz Landwirtschaft
Wegen geplanter schärferer Umwelt-Vorgaben brodelt es gerade unter vielen Landwirten. Da sorgt es zwischen den zuständigen Ministerien für weiteren Ärger, wie mit brisanten Gerichtsurteilen umzugehen ist. (c) proplanta
Anlass ist der Verzicht des Agrarministeriums auf Rechtsmittel gegen Urteile, die Schutzauflagen für die Zulassung mehrerer Pestizide einkassiert hatten. Das Umweltministerium hatte dagegen gefordert, wie noch bis Mittwoch möglich Berufung einzulegen, und warnte vor gravierenden Auswirkungen auf die Insektenwelt. Die Grünen warfen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) vor, «fatale erstinstanzliche Urteile» gegen Umweltauflagen für Pestizide ohne Überprüfung zu schlucken.

Das Agrarministerium erläuterte am Mittwoch, es entspreche auch seiner Rechtsauffassung, dass es für eine Verpflichtung der Landwirte zur faktischen Aufgabe von mindestens 10 Prozent ihrer Ackerflächen keine gesetzliche Grundlage gebe. Klöckner habe daher entschieden, keinen Widerspruch einzulegen, sagte eine Sprecherin. Zuerst berichtete die «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch) darüber.

Konkret geht es um Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig von Anfang September. Geklagt hatten Pestizid-Hersteller gegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das für Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist. Es untersteht dem Agrarressort. Das Gericht verpflichtete das BVL, die Genehmigungen ohne Auflagen zu erteilen, die das Umweltbundesamt erwirkt hatte - etwa zum Ausweisen von Schutzzonen. Dagegen hätte das BVL Berufung einlegen können.

Die Richter argumentierten unter anderem, die «Berücksichtigung unannehmbarer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt» sei nicht möglich. Es mangele an wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung der Effekte, die von der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa) anerkannt seien. Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, es könne nicht im Sinne des Europarechts sein, wenn es den Auftrag zur Achtung der biologischen Vielfalt gebe, dies aber wegen fehlender Detailregeln nicht umgesetzt werden könne. So bedeutende Fragen sollten nicht durch erstinstanzliche Urteile geklärt werden.

Grünen-Agrarexperte Harald Ebner warnte, mit einem Verzicht auf die Berufung mache Klöckner die gesamte Arten- und Insektenschutzpolitik der Bundesregierung vollkommen unglaubwürdig. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) könne nur tatenlos zusehen.

Unabhängig davon hatte das Bundeskabinett ein Paket mit Regelungen beschlossen, die mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft durchsetzen sollen. Dazu gehört ein Verbot des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat Ende 2023. Der Einsatz von Schädlingsgiften soll auch insgesamt stark eingeschränkt werden. Das sieht ein «Aktionsprogramm» vor, das aber noch kein Gesetz ist, dies soll erst noch folgen. Gegen die Pläne gibt es massive Proteste von Landwirten.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Niedersachsen droht großes Insektensterben

 Ruf nach Unterstützung der Imker

 Spießiger Rasen bedeutet Tod für Insekten

 Mähfrei durch den Mai - Weniger tun für mehr Vielfalt

  Kommentierte Artikel

 Mehr Tote bei weniger Unfällen

 Union Schuld an schwerster Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

 Bundesbeauftragte fordert Nachbesserungen bei Tierschutz in Ställen

 EU-Agrarsubventionen veröffentlicht - Das sind die Top-Empfänger 2023

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?